Erfolgreiche Integration braucht gemeinsame Wertebasis
23. Februar 2016
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12 Grundpfeiler einer gemeinsamen Wertebasis – Definition der Wertebasis stiftet Identität und ist gemeinschaftsfördernd

Eine erfolgreiche Integration setze eine gemeinsame Wertebasis voraus, erklärte ÖVP-Gemeinderätin Gudrun Kugler in der heutigen Gemeinderatsdebatte. Um Orientierungslosigkeit und Integrationsunwilligkeit zu vermeiden müsse klar sein, woraus diese gemeinsame Wertebasis bestehe. Dazu portraitierte sie in zwölf Punkten die Grundpfeiler einer gemeinsamen Wertebasis: 1. Würde und Selbstzweck des Menschen, 2. Instrumentalisierungsverbot, 3. Suche nach dem Guten, Wahren und Schönen, 4. Freiheit und Selbstbestimmung, 5. Verpflichtung auf die Vernunft, 6. Bekenntnis zur Demokratie, 7. Anerkennung der Rechtsstaatlichkeit, 8. Gemeinsame Verantwortung zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft, 9. Gleichberechtigung in der Familie, 10. Achtung gegenüber Andersdenkenden, 11. Religionsfreiheit sowie 12. der treuhänderische Umgang mit der Umwelt. „Das jüdisch-christliche Erbe an Grundwerten zieht sich wie ein roter Faden durch die gemeinsame Wertebasis“, so Kugler.

Die Einwände, wonach eine gemeinsame Wertebasis andere ausschließe, die Gesellschaft spalte oder für Homogenität und Illiberalität stehe, weist die Gemeinderätin zurück. „Im Gegenteil, die Definition der Wertebasis klärt auf und stiftet Identität. Das ist gemeinschaftsfördernd“, so Kugler. Auch weist sie darauf hin, dass Integration ein Miteinander auf einer gemeinsamen Basis eines gesellschaftlichen Wertekonsenses bedeute. „Es wäre schön, wenn Menschen ganz bewusst zu uns kommen würden, weil sie diese Werte unterstützen.“ Konkret fordert sie von der Integrations- und Bildungsarbeit in Wien 1. verpflichtende Wertekurse, 2. die Sprachausbildung mit Wertebildung zu verknüpfen, 3. Politische Bildung als eigenes Unterrichtsfach sowie 4. verpflichtenden Ethikunterricht für jene, die keinen Religionsunterricht besuchen.

(Als Pressemeldung: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160223_OTS0173/vp-kugler-erfolgreiche-integration-braucht-gemeinsame-wertebasis)

Gesamttext der Rede am 23. Februar 2016:

Was ist unsere gemeinsame Wertebasis?

Integration braucht Begegnung und Identität. Damit Integration gelingt, brauchen wir eine Debatte über unsere gemeinsame Wertebasis. Die gegenwärtige Diskussion ermüdet mit hohlen Parolen und Orientierungslosigkeit. Die Inhaltslosigkeit macht Europa schwach und Migranten integrationsunwillig. Ohne eine vermittelte Wertebasis sind Verhaltensnormen kasuistisch und der Staat wird allmächtig.
Wir bekennen uns zur Pluralität. Auch Pluralität braucht eine gemeinsame Wertebasis, die die Letztentscheidung im Falle eines Konflikts inne hat (z.B. wenn die Gleichberechtigung in Frage gestellt wird oder wenn wir überlegen, welcher Tag der gemeinsame Feiertag ist). Jede Kultur ist auch eine Anerkennungsordnung, die sich im Rechtssystem artikuliert.
Was ist nun unsere gemeinsame Wertebasis? Was vermitteln wir in unseren Schulen, was sind die Inhalte der geforderten Wertekurse? Was macht uns aus, in Wien, in Österreich, in Mitteleuropa, in Europa? In zwölf Punkten porträtiere ich die Grundpfeiler unserer gemeinsamen Wertebasis:

1. Würde des Menschen: Der Mensch ist einzigartig, mit freiem Willen und Vernunft begabt, fähig für soziales Miteinander, zur Kommunikation und Interaktion. Deshalb hat er unverletzliche Rechte. Deshalb kümmern wir uns um komatöse Patienten, Sterbende, Behinderte, Bedürftige… Solidarität also auch wenn es mehr kostet, als es wirtschaftlich bringt. Deshalb gibt es bei uns keine Strafen gegen Leib und Leben.
2. Aufgrund der Menschenwürde gilt das sogenannte Instrumentalisierungsverbot: der Mensch ist immer Selbstzweck. Sein Wert wird nicht über seine Nützlichkeit z.B. am Arbeitsmarkt definiert, der Mensch darf nicht als Bauernopfer eingesetzt werden, als Schutzschild missbraucht. Sklaverei, sexueller Missbrauch, Organhandel instrumentalisieren den Menschen. In den Menschenrechten entfaltet sich sowohl das Instrumentalisierungsverbot, als auch der nächste Punkt:
3. Die Suche nach dem Schönen, Wahren und Guten: Die Freiheit der Wissenschaft und die Auseinandersetzung mit den großen Fragen der Menschheit auf der Suche nach dem Wahren; die Kunst als Suche nach dem Schönen, und die individueller Vervollkommnung mit einem Blick aufs Ganze, also nicht nur für einen selbst, als Suche nach dem Schönen. Das hat Europa in den letzten 1000 Jahren bestimmt.
4. Freiheit und Selbstbestimmung sind die Basis einer pluralen Gesellschaft. Wer aus der Freiheit kommt, gesteht auch dem anderen Freiheit zu. Wo der IS regiert, regiert er durch Angst. Freiheit ist die Voraussetzung für ein Miteinander von „in gleicher Weise Freien“, also von Gleichberechtigten, nicht z.B. von Sippen- oder Gruppenangehörigen oder Wohlhabenden. Rousseau meinte, man müsse zur Not den Bürger zur Freiheit zwingen!
5. Verpflichtung auf die Vernunft: Als Europäer stehen wir nicht blind vor einer Mauer. Weil wir analysieren, diskutieren, verstehen, können wir Verhältnisse beschreiben und Beziehung treten. Das griechische Wort Logos heißt neben Vernunft, Sprache, Kommunikation, auch „Verhältnis“.
6. Wir bekennen uns zur Demokratie, die eine demokratische Kultur benötigt: Zurückhaltung und Selbstbeschränkung im politischen Prozess, d.h. die Sieger üben ihre Macht nicht ungezügelt und rücksichtslos aus, die Unterlegenen respektieren die staatliche Autorität.
7. Anerkennung des Rechtssystems auf Basis der Rechtsstaatlichkeit sowie des Gewalt- und Justizmonopols des Staates (keine Gewaltanwendung, keine Selbstjustiz, keine privaten Fehden)
8. Gemeinsame Verantwortung zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft: Neben Rechten anerkennen wir auch Pflichten. Wir bekennen uns zu Leistung, zur Weiterbildung, zur Selbstverwirklichung durch Arbeit und zum Fair Use zB in der Inanspruchnahme von Sozialleistungen.
9. Gleichberechtigung in der Familie: keine Gewalt in der Familie, Gleichberechtigung der Geschlechter, Einehe, Treue, klares Nein zu Kinderheirat, Zwangsverheiratung, Verwandtenehen oder Genitalverstümmelung.
10. Alle sprechen von Toleranz: ja, ich gehe aber noch einen Schritt weiter: Auseinandersetzung mit Neuem, Achtung gegenüber Andersdenkenden, ja sogar die Sorge umeinander.
11. Religionsfreiheit: Wir bekennen uns zur Trennung von Kirche und Staat. Wir lehnen Gesinnungsterror ab. Gleichzeitig schätzen wir den Beitrag, den Religionen leisten, und lassen ihre Rolle und Gesellschaft und Staat zu.
12. Treuhänderischer Umgang mit der Umwelt, von der Mülltrennung bis zum sparsamen Einsatz der Ressourcen und zum achtsamen Verhalten in der Öffentlichkeit.

Das jüdisch-christliche Erbe sowie die Aufklärung und der Prozess der Anerkennung der Menschenrechte zieht sich in Europa wie ein roter Faden durch die gemeinsame Wertebasis.

Gegen die Definition einer gemeinsamen Wertebasis könnte es zum Beispiel diese drei Einwände geben:
Schließt die Definition der Wertebasis nicht einige aus und spaltet die Gesellschaft? Im Gegenteil, die Definition der Wertebasis klärt auf und stiftet Identität. Das ist gemeinschaftsfördernd!
Ist eine Leitkultur nicht illiberal, weil sie Homogenität verlangt? Nein! Auf einer Party traf ich kürzlich einen Programmierer „aus dem Bereich Integration in der Informatik“. Interessant für mich als ÖVP-Wien-Integrationssprecherin. Was macht man da so in der Informatik? „Aus zwei Systemen erstellen wir ein neues, in dem beide Systeme weiterhin bestehen bleiben, aber durchlässig sind und zusammen arbeiten können,“ war die Antwort. Analog angewandt, ist Integration ist also nicht in erster Linie Assimilation sondern ein Miteinander auf der gemeinsamen Basis eines gesellschaftlichen Wertekonsenses.
Könnte eine explizite gemeinsame Wertebasis zu Nationalismus führen? Hegel sagt dazu: Rationaler – d.h. reflektierter – Patriotismus ist die Bejahung einer konkreten Lebensform und notwendig für die Mitwirkungsmotivation.
Es wäre schön, wenn Flüchtlinge ganz bewusst zu uns kämen, die genau diese Werte suchen. Jedenfalls müssen wir die umgehende Anerkennung und allmähliche Aneignung unserer Grundwerte von allen Migranten verlangen. Auch für bereits hier lebende Menschen, ist es sinnvoll, sich mit den gemeinsamen Werten immer wieder auseinander zu setzen, auch in den Bildungsinstitutionen.

Was heißt das konkret für die Integrations- und Bildungsarbeit in Wien?
1. Wir fordern verpflichtende Wertekurse. Eine Anfrage zur Umsetzung – im Asylgipfel im Jänner gemeinsam festgelegt – in Wien habe ich heute abgegeben.
2. Wir fordern auch in der Sprachbildung eine Wertebildung (Umgangsformen stärker in den Deutschkurs einbauen)
3. Politische Bildung als eigenes Unterrichtsfach.
4. Verpflichtender Ethikunterricht für jene, die keinen Religionsunterricht besuchen.

Integration braucht Begegnung und Identität. Damit Integration gelingt, brauchen wir ein Bekenntnis zu unserer gemeinsamen Wertebasis.

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3 comments

  1. Danke Frau Dr. Kugler, sie haben wie immer das Thema auf den Punkt gebracht. Meiner Meinung nach müsste aber die Bildung und Schulung in diese Richtung nicht nur für Flüchtlinge dringend verfügbar gemacht werden, sondern vor allem auch für die eigene Bevölkerung. Dadurch könnte auch die Angst abgebaut werden die derzeit vorherrscht und viel Gutes verhindert. Die Basis jedes einzelnen muss gestärkt werden, denn wer sich selbst unsicher ist, ist es auch in Bezug auf andere.
    Danke für Ihre tolle Arbeit!

  2. Liebe Gudrun! Gratulation zur präzisen Formulierung der 12 Wertebasis-Punkte, finde ich echt großartig und höchst aktuell angesichts der Flüchtlingsproblematik auch in Österreich und in Europa sowieso. Ich möchte mit Susanne am 3. März zu Deiner Veranstaltung kommen. Eine Idee, eine Frage: könntest Du Dir vorstellen, imCenter St Franziskus, Gentzgasse. 122/4 einen eigenen Vortrag über den Problemkreis Integration von Flüchtlingen in Wien zu halten verknüpft mit den 12 Punkten der W.Basis? Ich könnte mir auch vorstellen, das CStF tagsüber für CHRISTLICHE Flüchtlinge zu öffnen für gemeinsames Spiel, Sport, Stricken, Sprachunterricht, für gemeinsames Gebet und christliche Filme (gibt es teilweise auch in arabischer Sprache). Auch Spazierengehen oder Joggen in den 3 umliegenden Parks wäre einThema oder gemeinsames Mittagessen. Die Frage für mich ist jedoch: Wo in Wien/Umgebung sind christliche Flüchtlinge? Wie kann man sie erreichen? Gibt jemanden bzw eine Stelle, die so ein Projekt sponsern könnte? Deine Gedanken dazu würden mich freuen. In Gebetsverbundenheit – mach weiter so! – Günther