Sonderbericht der Volksanwaltschaft über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen, Parlamentarische Debatte am 13. Juni 2018, Rede von Dr. Gudrun Kugler
Zuerst ein Dank an die Volksanwaltschaft für diesen Sonderbericht: Große Offenheit für den Bericht gibt es auch von den betroffenen Institutionen, die mehr Rückmeldungen denn je dazu abgegeben haben.
Manchmal geht es nicht anders, und ein Kind muss fremduntergebracht werden. Viele engagierte Menschen arbeiten hier für das Kindeswohl – auch ihnen sei gedankt!
Als Parlament müssen wir uns aber immer die Frage stellen: Läuft alles richtig? Was können wir verbessern? Ein Bericht der Volksanwaltschaft ist dafür ein guter Anlass.
Ich leite aus dem Bericht vier Fragestellungen für uns im Parlament ab:
1) Wie erklären wir statistische Auffälligkeiten und was können wir daraus ableiten?
- Die Zahl der abgenommenen Kinder stieg von 8000 auf 13600 in den letzten 10 Jahren. Wie erklären wir uns diesen Anstieg?
- In Wien, der Steiermark und in Vorarlberg werden deutlich mehr Kinder fremduntergebracht, als in den anderen Bundesländern, in denen rund ein Drittel weniger Kinder fremduntergebracht sind?
Forderung: Wir brauchen dazu eine wissenschaftliche Untersuchung!
2) Wie können wir Missstände in den bestehenden Einrichtungen beseitigen?
- Aktuelle Fälle aus dem Burgenland und Niederösterreich sind bekannt. Ein Mitarbeiter sprach von einem „Berg an ungelösten Problemen“.
- Gruppengröße und Personalmangel, Weiterführung von Bildungsprogrammen und Nachmittagsaktivitäten, Förderung von Begabungen ist in der Fremdunterbringung fast nicht möglich.
- Auch in der Gewalt- und Missbrauchsprävention besteht Handlungsbedarf: In zwei Fälle wurde mir so etwas erzählt: „Weggenommen wurde uns das Kind unter Missbrauchsverdacht. Missbraucht wurde es erst in der WG.“
Forderung: Wir müssen den “Berg an Problemen” lösen und bundeseinheitliche Standards betreffend Personalschlüssel, Ausbildung und Präventionsprogramme für alle Einrichtungen festlegen!
3) Tun wir alles, damit die Kindesabnahme eine ultima ratio, ein letztes Mittel ist?
- Notwendige Therapien werden manchmal erst nach der Abnahme finanziert.
- „Frühe Hilfen“ als begleitende Maßnahmen werden zu wenig gefördert.
- Weitaus kostengünstiger wären solche Maßnahmen als eine Kindesabnahme, die zu monatlichen Kosten von 5000 bis 7000 Euro pro Kind führt.
Forderung: Wir müssen alle Maßnahmen setzen, die dazu beitragen, dass Kinder nicht abgenommen werden müssen!
4) Tun wir alles, um die Besuchsrechte der Familie zu gewährleisten?
- Ich bin mit einer Familie in Kontakt, die zwischen Nov und April ihren geliebten 9-jährigen gar nicht sehen durfte.
- Die VA spricht von einem finanziellen Anreiz dar, Kinder in anderen Bundesländern unterzubringen, zB durch einen Zuschlag, den es u.a. im Burgenland gibt. Dort beträgt der Anteil an Kindern aus anderen Bundesländern 29%, in Vorarlberg nur 2%.
Forderung: Solche Zuschläge in den Ländern müssen abgeschafft werden!
Zum Abschluss: Ich habe Gespräche mit Eltern geführt
- Sie empfinden die Abnahme oft als Strafe, als unverhältnismäßig und als willkürlich.
- Sie fühlen sich von den Jugendämtern schlecht behandelt.
- Sie sagen, dass ihnen die Gründe für die Abnahme nicht oder nur unklar dargelegt werden(„Gefahr im Verzug“). Die betroffenen Eltern wünschen sich klarere Definitionen und bessere Informationen.
- Und sie fühlen sich den Behörden gegenüber vollkommen hilflos.
Kindesabnahme und Fremdunterbringung ist ein massiver Eingriff in Grundrechte. Es ist unsere Verantwortung, dass dieser Grundrechtseingriff nicht unrechtmäßig stattfindet, und wenn nötig, dann so gelinde wie möglich. Hier gibt es in Österreich großen Handlungsbedarf, dessen Auftrag wir hoffentlich parteiübergreifend gerecht werden.
Hier das Video der Rede:
Seit Juli 2017, muss mein Mädchen, damals 11Jahre. In eine Fremdunterbringung. Die sich 1h Autofahrt von zu Hause befindet. Obwohl in der nächsten Ortschaft eine WG wäre. Nur wegen einer lehrnschwäche. Wir leiden sehr darunter