“So wahr mir Gott helfe” – Kolumne in der Tagespost
30. Oktober 2019
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So wahr mir Gott helfe!

Praktizierende Katholikin und Mitglied des österreichischen Parlaments. Ein Himmelfahrtskommando? Jedenfalls ist es eine Gratwanderung in einem unentspannten Umfeld. Bei der meiner Angelobung am 23. Oktober habe ich mich für den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ entschieden. Nicht viele Politiker tun das. Auch durchaus gläubige nicht: Für sie ist Glaube privat. Andere meinen, Religion hätte in einem Parlament nichts verloren. Ich habe es mit Überzeugung getan: Denn die religiöse Formel unterstreicht, dass die Demokratie von Werten lebt, die sie nicht selbst hervorbringen kann. Sie konfrontiert uns damit, dass staatliche Macht Grenzen anerkennen muss, wie zum Beispiel die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen. Transzendenz ist der beste Schutz gegen Ideologien und autoritäre Herrschaft!

Aber damit nicht genug. Ich zeichne auch für das parlamentarische Gebetsfrühstück verantwortlich. Abgeordnete kommen zum Morgengebet mit Bibelgespräch und Frühstück. Noch schlimmer? Ganz und gar nicht! Denn auch Politiker sind Menschen. Mit ihren eigenen Fragen und Anliegen. Wo sich Seelen berühren, entstehen Freundschaften. Auch über Parteigrenzen hinweg.

Zwei Dinge will ich damit für die Abgeordneten hervorheben: Der christliche Glaube ist mehr als Tradition: Er hat auch heute große Bedeutung für mein persönliches Leben und meine Politik. Und er ist mehr als Kultur: Es geht um eine persönliche Beziehung mit meinem Schöpfer, der mich mit Seiner individuellen Pädagogik begleitet.

In welcher Form ist es legitim, dass der christliche Glaube einen Politiker beeinflusst? Für mich ist der Glaube ein Kompass in Richtung Mensch. Es sind nicht religiöse Werte, die etwa nur für Christen gelten, die mich leiten. Es ist die Würde des Menschen, die in den Menschen eingeschrieben ist, egal welcher Religion! Daraus speisen sich Menschenrechte, Gleichheit und Solidarität. Ein Schlüssel zum Verständnis ist die Rede von Papst em. Benedikt im Bundestag im Herbst 2011: „Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten,“ sagte er dort, aber „es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. … Der Mensch macht sich nicht selbst.“

Wir respektieren endlich die Gesetzmäßigkeiten von Pflanzen, Tieren und unserem Planeten. Keinen Konsens haben wir dafür, dass es auch etwas gibt, das für den Menschen ökologisch ist. Wir haben unsere Gebrauchsanweisung verlegt und unsere Hoffnung und die Suche nach dem Schönen, Wahren und Guten gegen billige Unterhaltung getauscht. Für absolute Unabhängigkeit und Selbstbestimmung haben wir die Liebe geopfert und aus Ehe und Familie etwas Beliebiges gemacht. Menschen teilen wir in lebenswert oder lebensunwert ein. Dass dies nicht „ökologisch“ ist für den Menschen, wird heute kaum verstanden. Selbst die christdemokratischen Parteien müssen für diese Sichtweise neu gewonnen werden. Für Christen ist die Politik damit ein ganz besonderer Auftrag. Ein oft unangenehmer, schlafraubender, mühsamer … aber ein unerlässlicher Auftrag. Nur für Abenteuerlustige mit Sinn für positive Überraschungen!

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