In der Ukraine besichtigte ich Irpin, einen Vorort von Kiew, durch den 2022 die Frontlinie verlief. Dort sahen wir die teilweise völlig zerschossene und ausgebrannte Universität des Ortes. Wir trafen einen Uni-Assistenten, der während der russischen Belagerung über einen Monat lang am Uni-Gelände eingeschlossen war. Internet gab es nur ganz oben, im 7. Stock, wohin sich die Eingeschlossenen immer wieder wagten. Eines Tages erwischte ihn dort eine Granate. Er kam leicht verletzt davon, rief gleich bei den ukrainischen Behörden an, um sie zu informieren, dass russische Soldaten am Gelände waren, und rannte zu den ca. 50 Kolleginnen und Kollegen im Keller. Die Frauen konnten sich versteckten in einem unterirdischen Kühlraum verstecken, während die Männer verhaftet wurden. Nach einer Kontrolle der Anruflisten am Handy wurde der junge Mann aus der Gruppe herausgelöst und zur Exekution hinausgeleitet. Ein Soldat legte im Innenhof sein Gewehr auf ihn an. Er fragte ihn nach Namen und Adresse. Als er ihm seine Heimatadresse in Donezk nannte, senkte der Soldat sein Gewehr und ließ ihn laufen: Denn er kam aus der gleichen Straße einer Stadt, die seit 2014 von den Russen besetzt ist. Der eine war damals nach Kiew gegangen, der andere geblieben und in die russische Armee eingezogen worden. Das ist die absurde Realität dieses Krieges.