Weltweit sind mehr als 200 Millionen Frauen und Mädchen Opfer weiblicher Genitalverstümmelung, in einigen afrikanischen Staaten sogar mehr als 90 % der weiblichen Bevölkerung. Somalia etwa ist das Land mit der weltweit höchsten FGM-Prävalenz („Female Genital Mutilation“) – laut UNESCO sind dort 98 % der weiblichen Bevölkerung betroffen.
In Österreich leben Schätzungen zufolge bis zu 8.000 Betroffene. Diese Zahl stammt jedoch aus 2006 und die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen, da sie laut Experten durch Entwicklungen im Migrationsbereich deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge werden sogar in Österreich durch Personen, die aus dem Ausland einreisen, Genitalverstümmelungen an jungen Mädchen durchgeführt, was bisher allerdings nicht belegt werden konnte, da keine konkreten Einzelfälle bekannt sind. Möglich ist auch, dass die Verstümmelung von minderjährigen Mädchen, die durch das Jugendamt zur Anzeige gebracht werden, während Auslandsreisen in die Herkunftsländer passiert. In einigen Wiener Spitälern gibt es Stationen, die sich speziell um Opfer von FGM kümmern und operative Eingriffe zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit vornehmen.
Bei einem Treffen mit Frau Dr. Dörfler, Leiterin der Krisenambulanz des Allgemeine Krankenhaus Wien, die auf die Betreuung und Behandlung von Opfern von FGM spezialisiert ist, erfuhr ich einiges über die aktuelle Situation in Österreich. Allein auf der Station von Frau Dr. Dörfler werden jährlich zwischen 40 und 50 Fauen mit Beschwerden behandelt. Um betroffene Frauen identifizieren und ihnen bestmöglich helfen zu können, führt das AKH bereits in der medizinischen Basis-Ausbildung verpflichtende Sensibilisierungsschulungen zum Thema FGM durch – eine wichtige Initiative!
Die Folgen für die Gesundheit der von FGM betroffenen Frauen sind enorm: Unter Kurzzeitfolgen fallen starke Blutungen, bakterielle Infektionen und Blutvergiftungen, welche bis zum Tod führen können. Als Langzeitfolgen sind chronische Infektionen, Blasenentzündungen, Unfruchtbarkeit und schwere Probleme bei der Geburt zu befürchten. Viele betroffene Frauen leiden ihr Leben lang unter Schmerzen beim Urinieren und beim Geschlechtsverkehr.
Die Republik Österreich nutzt das Instrument der Entwicklungszusammenarbeit gegen diese Praxis und für deren Opfer und stellt im Wege der Austrian Development Agency 1 Million Euro für den Kampf gegen FGM zur Verfügung. Während die finanzielle Unterstützung von Projekten, die sich auf das Thema spezialisiert haben, eine äußerst wichtige Maßnahme darstellt, ist es gleichzeitig von zentraler Bedeutung, das Phänomen möglichst breit in die gesamte Entwicklungszusammenarbeit mit betroffenen Ländern einzubeziehen, konsequent anzusprechen und Maßnahmen zum Schutz von Mädchen und Frauen einzufordern.
Deswegen setze ich mich dafür ein, dass der Kampf gegen FGM in die österreichische Entwicklungszusammenarbeit mit betroffenen Ländern, insbesondere in Community-Arbeit einbezogen wird und dass die aktuelle Praxis von FGM in Österreich genauer erforscht wird, um auch hierzulande effektive Präventivmaßnahmen setzen zu können. Außerdem ist es wichtig das Schulungsangebot für Ärzte und anderen Berufsgruppen, die mit betroffenen Mädchen und Frauen arbeiten, auszubauen.
Foto: Prof. Dr. Daniela Dörfler, Leiterin der Krisenambulanz des AKH mit NAbg. Dr. Gudrun Kugler
Meine Rede zum Thema weibliche Genitalverstümmelung, Nationalratssitzung am 25.10.2018