Warum dem Burkaverbot kein Kreuzverbot folgen muss
2. Februar 2017
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Nach wochenlanger Diskussion über religiöse Bekleidungsvorschriften in Österreich gibt es nun ein Ergebnis: Ein Verhüllungsverbot kommt: 150 Euro Strafe. Ein Kopftuchverbot halten weder der Justizminister (z.B. bei Richterinnen) noch der Innenminister (z.B. bei Polizistinnen) derzeit für notwendig. In beiden Fragen gab es viele gute Argumente dafür und dagegen. Den nun festgelegten österreichischen Weg halte ich für gut.

Es bleibt allerdings eine wichtige Frage zu beantworten: Hätte ein Kopftuchverbot notwendigerweise ein Verbot der Kreuze in den Gerichtssälen, eventuell sogar ein Schulkreuzverbot zur Folge? SPÖ-Staatssekretärin Duzdar will das nun besprechen. Der frühere UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Heiner Bielefeldt, meinte: „Christliche Symbole zu privilegieren ist ein Verstoß gegen die Gleichheit” (kathPress). Dem kann ich nicht zustimmen!
Die Grundfrage ist: Was ist gleich? Auf Basis des Gleichbehandlungsgrundsatzes betreibt man heutzutage oft Gleichmacherei. Richtig wäre: Gleiches muss gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden, basierend auf der Definition der Gerechtigkeit: jedem das Seine. Falsch verstandene Gleichbehandlung bringt die Demokratie in Gefahr, weil diese ohne Gerechtigkeit nicht leben kann.

Frage I: Beide, das Kreuz im öffentlichen Raum und das Kopftuch, sind religiöse Symbole. Darf man sie unterschiedlich behandeln? Ich sage ja, aus folgenden Gründen:

  1. Das Kreuz ist “ein säkulares, die abendländische Geistesgeschichte vergegenwärtigendes Symbol”, sagen die Religionsrechtler Potz und Schinkele im kathPress-Interview. Innenminister Wolfgang Sobotka in Heute, am 1.2.2017 auf die Frage „Wie steht’s ums Kreuz in der Schulklasse?“: „Das bleibt. Das Christentum hat unsere Kultur und Gesellschaft 2000 Jahre lang geprägt. Das Kreuz ist nicht nur ein religiöses Symbol, es ist ein Friedenssymbol.“
  2. Das Kreuz ist ein “stilles“ oder „passives“ Symbol” und damit “kein starkes äußeres Zeichen in dem Sinne, dass es einen Bekehrungseffekt oder sonstigen nachhaltigen Einfluss auf die Kinder haben könnte” (aus einem 2011 ergangenen Urteil des Verfassungsgerichtshofs). Das Kopftuch hingegen wird vom Europ. Gerichtshof für Menschenrechte als „starkes äußeres Zeichen“ gesehen, dessen Einschränkung unter bestimmten Umständen rechtlich zulässig wäre.
  3. Dass das Kreuz in öffentlichen Gebäuden wie Gerichten und Schulen verfassungsrechtlich vertretbar ist, wurde höchstrichterlich sowohl in Österreich (VfGH) als auch für ganz Europa (EGMR) festgehalten. Die Entscheidung für oder gegen das Kreuz liegt im rechtspolitischen Spielraum eines Staates und steht weder dem Grundrecht der Religionsfreiheit noch der staatlichen Neutralitätsverpflichtung im Bildungsbereich entgegen. Denn ein Kreuz im öffentlichen Raum heißt nicht, dass jemandem z.B. durch Lerninhalte oder die Entscheidungen eines Richters eine bestimmte Religion aufgedrängt wird. (vgl. Fall „Lautsi“, EGMR)

Frage II: Islam und Christentum sind beide staatlich anerkannte Religionen. Darf man sie wenn notwendig unterschiedlich behandeln? Ich sage ja, aus folgenden Gründen:

  1. Unterschiedliche Religionen unterscheiden sich nicht nur nach ihrem Inhalt, sondern auch nach ihren praktischen Auswirkungen im Handeln ihrer jeweiligen Anhänger – und somit auch nach ihren Auswirkungen auf das Leben der Gesellschaft.
  2. Integrationsprobleme und Herausforderungen für das Zusammenleben in Österreich gibt es nur bei Gläubigen einer der beiden Religionen. Notwendige Maßnahmen bei problematischen islamischen Kindergärten in Wien fallen harmlos aus, weil man – aus Gleichmacherei – meint, sie auch in katholischen Kindergärten setzen zu müssen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass Christen generell bessere Menschen sind als Muslime.
  3. Auch wenn der christliche Glaube von vielen Österreicherinnen und Österreichern nicht aktiv praktiziert wird, gehört er doch zur Leitkultur. Auf drei Hügeln wurde Europa errichtet: dem Areopag, dem Capitol und Golgotha. Das Christentum ist ein nicht wegzudenkender Teil unserer Geschichte und kulturellen Identität. Das Kreuz zu entfernen wäre ein Bruch mit der kulturellen Kontinuität und deshalb nicht einfach eine „neutrale Maßnahme“.
  4. 70% der Österreicher befürworten das Kreuz im öffentlichen Raum. 80% finden es gut, dass Österreich ein christlich geprägtes Land ist.
  5. Der jüdische Rechtsprofessor Josef Weiler verteidigte Italien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Lautsi. Er sagte (auch über sich selbst): „Angehörige einer religiösen Minderheit fühlen sich in einer Gesellschaft besser aufgehoben, die ihre religiösen Symbole respektiert, als in einer laizistischen, die selbst missionarisch gegen jede Glaubensäußerung vorgeht und zudem ihre Wurzel verleugnet.“
  6. In der Debatte selbst geht es eigentlich nicht nur um Religion. Die Vollverschleierung ist vorwiegend ein politisches Symbol und wird auch von den meisten Musliminnen als Zeichen der Unterdrückung der Frau und Zeichen eines Fundamentalismus, der der Trennung von Staat und Religion entgegen steht, gesehen und abgelehnt.

Als der Wiener Kardinal König 1960 nach seinem schweren Autounfall im damaligen Jugoslawien aus dem Koma erwachte, sah er anstatt des Kreuzes an der Wand des Spitalzimmers ein Bild Titos.
Das Kreuz ist das Logo Europas (Martin Kugler, Die Presse, 5.11.2009). Ohne das Kreuz reduziert sich Österreich auf Walzer, Marillenknödel, und Ski-Weltcup-Trophäen. Ja, es ist ein religiöses Symbol, aber doch wesentlich mehr als das. Und es soll sichtbar bleiben!

Auf kath.net: http://www.kath.net/news/58374

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2 comments

  1. Stimmme vollkommen zu.Danke

  2. In dem Gesetz, das im Ubrigen weder Burka noch Nikab explizit benennt, spiegelt sich die Nahe zum Diskurs in Frankreich wider – das laizistische Nachbarland war das erste europaische Land mit einem Burkaverbot.