Es ist ein großes Privileg, dass ich Tadschikistan kennenlernen und mit vielen Denkanstößen zurückkehren durfte. Ich traf die Leiter der IOM (Internationale Organisation für Migration) und der OSZE-Mission in Duschanbe und besuchte zwei Schutzhäuser für Frauen: eines für Opfer häuslicher Gewalt, ein weiteres für Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Zudem hatte ich ein ausführliches Gespräch im Parlament von Tadschikistan mit dem Leiter der Delegation zur OSZE-Parlamentarischen Versammlung.
Migration ist hier allgegenwärtig: Viele tadschikische Männer arbeiten – zwar weniger als früher – in Russland, während Frauen und Kinder allein zurückbleiben. Wenn ein armes Land sich wirtschaftlich verbessert, steigt die Migration zunächst, bis etwa zu einem Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 10.000 USD – erst dann beginnen die Menschen zu bleiben, so IOM. Dorthin hat Tadschikistan noch einen langen Weg! Reguläre, legale Migration senkt den Asyldruck und verringert die Gefahr von Ausbeutung und Menschenhandel.
Darum sollten Österreich und Tadschikistan enger zusammenarbeiten – durch einen Staatsvertrag über Ausbildung, Deutschunterricht, duale Bildung und Arbeitsmigration. Tadschikistan hat eine sehr junge und stark wachsende Bevölkerung (die Geburtenrate sank von 5 auf 3, damit bleibt das Bevölkerungswachstum für die kommenden Jahrzehnte bestehen) und zu wenige Arbeitsplätze (nicht nur aber auch aufgrund des gebirgigen Landes mit 93% Berge, die teils doppelt so hoch wie unsere!); Europa braucht Arbeitskräfte. Wenn wir legale Wege schaffen, schließen wir die Tür für Schlepper und Missbrauch. Das Vereinigte Königreich hat hier bereits ein Modell: 5000 tadschikische Saisonarbeitskräfte bekommen jährlich ein Visum. Deutschland macht solche Verträge auch für sich – eine win-win-Situation für beide Seiten und ein Beitrag zur Entwicklung durch “Brain und Idea Circulation”.
Spannend sind auch die säkularen Gesetze des muslimischen Landes: Kopftuchverbot in Schulen – unabhängig vom Alter – sowie ein Bartverbot: Beides, um dem radikalen Islam weniger Platz zu bieten. Fun fact: Gleichzeitig bleibt der Sonntag (!) als Ruhetag erhalten, an dem Geschäfte geschlossen sind. Der autokratische Herrscher ist allgegenwärtig, nur selten wagen die Menschen, Kritik zu äußern. Religiöse Minderheiten haben es schwer: Ihre Situation habe ich im Parlament angesprochen. By the way, das Parlamentsgebäude ist überdimensional groß, aber recht geschmackvoll. Es wurde erst 2024 eröffnet – als Geschenk der Chinesen (!).
Die OSZE-Mission in Duschanbe arbeitet mit beachtlichem Engagement, steht aber – wie viele Missionen – unter Budgetdruck. Die Gehälter müssen mit internationalen Organisationen mithalten, sonst verliert man Fachkräfte. Dadurch bleibt weniger Geld für Programme – das Budget ist aufgrund der gegenwärtigen Krise seit 2021 eingefroren. Für meine Arbeit in der OSZE-Parlamentarischen Versammlung nehme ich einige konkrete Ideen mit: Regelmäßige Field Visits für Abgeordnete, damit sie die 11 OSZE-Missionen vor Ort kennenlernen. Und die Öffnung der extrabudgetären Projekte für Public-Private-Partnerships (PPP), in denen die OSZE als neutrale vertrauenswürdige Experten-Schnittstelle zwischen Staaten, Gebern und Zivilgesellschaft sowie dem Zielland (programme-policy-cycle) fungiert, um Projekte gemeinsam zu finanzieren und umzusetzen.
Wir besuchten die Nationalbibliothek in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, die eine kleine Sektion der deutschen Sprache widmet. Die erste Freude verflog schnell, nämlich als wir sahen, dass die Bücher, welche die tüchtigen Deutschlernenden verwenden mussten, allesamt aus der DDR stammten und so hießen wie zB: Sozialistische Wirtschaftsführung (1967), Außenpolitik der DDR, Geschichte des Mittelalters (Verlag Proswestschenije, Moskau 1966), Literatur im Zeitalter des Sozialismus, u.s.w. Ich werde bei unserer Botschaft nachfragen, ob wir nicht einen Tausch vorschlagen könnten: Deren Bücher in unsere Museen und Forschungsstätten… und Goethe, Schiller, Zweig, beide Roths, Werfel, Frisch, Dürrenmatt, Rilke, Süßkind, Lessing, Kleist, Hoffmann, Stifter, Kafka, Musil, Hesse, Mann, Bachmann, Böll, Handke, Bernhard, Büchner, Eichendorff, Kehlmann, Morgenstern (now I got carried away) und alle anderen … für die tadschikische Bibliothek.
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