FGM und Zwangsehe auch in Österreich – aktives Vorgehen gefordert
Waris Dirie fühlt sich in Österreich „Zuhause“: „Immerhin habe ich seit 19 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft. In meinen Augen ist es der schönste Fleck in Europa. Ich fühle eine besondere Verbindung zu Österreich!“
Waris Dirie, Supermodel, vielfach ausgezeichnete Menschenrechtsaktivistin, Beststeller-Autorin und ehemalige UN-Sonderbotschafterin gegen weibliche Genitalbeschneidung, besuchte die Donaustadt auf Einladung der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gudrun Kugler, Menschenrechtssprecherin der Volkspartei, und dem Floridsdorfer Bezirksvorsteherstellvertreter Christian Klar (VP) am Sonntag, 5. 3. anlässlich des Weltfrauentags. Zuerst wurde der Film „Wüstenblume“ gezeigt, anschließend gab es ein Podiumsgespräch mit Waris Dirie, Christian Klar, Gudrun Kugler und Walter Lutschinger von der Desert Flower Foundation. Das Publikum begrüßte Waris Dirie mit Standing Ovations.
Dirie wurde in Somalia geboren und dort genitalverstümmelt. Ihre Flucht vor einer Zwangsverheiratung als Elfjährige brachte sie nach London, wo sie als Opfer von Kinderhandel zur Arbeit in der somalischen Botschaft ausgebeutet wurde. Der Film „Wüstenblume“ zeigt ihren bewegenden Lebensweg hin zum engagierten Superstar.
In dem Podiumsgespräch wurde schnell auf die Tatsache hingewiesen, dass das Phänomen der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) leider auch in Österreich ein Problem ist, Beschneidungen werden – obwohl illegal – teils sogar in Österreich durchgeführt: „Weibliche Genitalverstümmelung passiert auf der ganzen Welt. Diese grausame Tradition hat auch Österreich schon seit einiger Zeit erreicht. Eine Studie aus dem Jahr 2006 hat ergeben, dass 8000 verstümmelte Mädchen in Österreich leben. Momentan steigen die Zahlen wieder, unter anderem aufgrund der Einwanderungswelle, die Österreich erlebt hat,“ so Dirie, die auch Gründerin der Desert Flower Foundation ist. Die Arbeit der Desert Flower Foundation besteht darin, den betroffenen Frauen so gut wie möglich zu helfen. Dazu hat die Foundation spezialisierte Ärzte in vier Zentren: Berlin, Amsterdam, Stockholm und Paris. Diese Spitäler bemühen sich um Wiederherstellung von dem, was den Mädchen genommen wurde. Es gibt bereits eine Operationstechnik, bei der die Klitoris so gut es geht wiederhergestellt wird. Frauen leiden aber auch unter vielen verschiedenen Leiden, sowohl physisch (z.B. Inkontinenz) als auch psychisch, daher gibt es auch Selbsthilfegruppen, mit denen es sehr positive Erfahrungen gibt.
Abgeordnete Kugler sprach sich für mehr Präventionsarbeit aus: „Wir müssen mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, um zu verhindern, dass Mädchen in den Ferien in ihren Ursprungsländern beschnitten werden. Dazu müssen wir die Communities und die Berufsgruppen, die mit Betroffenen zu tun haben, sensibilisieren. Beratungsstellen wurden bereits eingerichtet. FGM wird bereits in der Entwicklungszusammenarbeit besonders berücksichtigt. Um gegen Kinder- und Zwangsehen vorzugehen, müssen wir das Ehealter auf ausnahmslos 18 Jahre anheben.“
Die Lösungen sind Bildung, Erziehung und Integration. Wir müssen taffer mit der Jugend sein, sie vermitteln den Anschein als wären sie auf der Suche, irgendwie verloren. Es fehlt der Fokus in ihrer Erziehung.
Auch EZA spielt eine wesentliche Rolle. Walter Lutschinger erklärte, dass „die Länder mit der höchsten Analphabetenrate ident sind mit den ärmsten Ländern, und mit denen, die auch Genitalverstümmelung praktizieren. Das Engagement zeigt Wirkung: In Afrika sind die Zahlen der Genitalverstümmelung stark rückläufig, während sie in Europa leider steigen.“
Christian Klar, der auch Direktor einer Mittelschule ist, erzählte aus dem Schulalltag: „Die Schwester einer unserer Schülerinnen sollte nach Ägypten fliegen, um verstümmelt zu werden, weil sie ansonsten keinen richtigen Ehemann finden würde. Das war der erste Fall, der uns bekannt wurde, und das ist kein Einzelfall in Österreich. Wir müssen bei Bildung und an Schulen präventiv tätig werden!“ Und weiter: „Auch Zwangsehen gibt es bei uns: Ich hatte einen Fall vorliegen, wo ein Mädchen vergewaltigt, geschlagen und zwangsverheiratet wurde. Mitten in Wien: Diese Menschenrechtsverletzungen sind also weder abstrakt noch Einzelfälle!“
Waris Dirie bestätigte das und meinte: „Es braucht mehr und bessere Aufklärung im Sexualbereich. Die Kinder müssen lernen, sich gegenseitig zu respektieren. Im speziellen müssen die Buben lernen, Mädchen zu respektieren. Heutzutage gibt es zu viele Machos und Bullies. Wahrheit, Respekt und Regeln sind unerlässlich. Ich glaube nicht, dass sie wissen, was es braucht, um einer Frau den richtigen Respekt zu zollen. Als ich Buben dazu befragte, konnte keiner antworten. Eltern sollten sich auch verantwortlich fühlen – Erziehung beginnt nicht erst in der Schule.“
Gudrun Kugler fragte Waris Dirie, ob sie mit ihrem schweren Schicksal versöhnt wäre. „Ich komme aus der Wüste,“ antworte sie, „dort zählt nur der heutige Tag. Wir sind mit dem Universum und der Natur verbunden. Manche Dinge kannst du ändern, manche eben nicht. Ich blicke auf die besten Seiten des Lebens. Ich sehe nur das Gute. Ich fühle nichts als Vergebung für alles Schlimme, das passiert. Wieso? Weil ich mich dazu entschieden habe.“
Abg. Kugler wird die Themen FGM, Zwangsehe und Menschenhandel weiterhin als Menschenrechtssprecherin der Volkspartei im Parlament vorantreiben, sowie BVStv. Christian Klar wird in seinen Funktionen als Direktor und Bezirkspolitiker.
Für mehr Informationen zum Thema FGM besuchen Sie die Seite: Home – Desert Flower Foundation
Hier finden Sie einige Artikel über die Veranstaltung:
Waris Dirie: “Es ist egal, ob ein Finger oder die Klitoris… | DiePresse.com
Donaustadt: „Wüstenblume“ Waris Dirie in Wien zum Weltfrauentag zu Gast – Donaustadt (meinbezirk.at)
einfach toll und ich bin dankbar, dass es aufgezeigt wird.