Achtung vor einem Genozid in Bergkarabach!
22. September 2023
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In großer Sorge warne ich vor einem möglichen Genozid und/oder einer „ethnischen Säuberung“ in Bergkarabach! 

Dort leben ca. 120.000 Armenier, die in unzähligen aserbaidschanischen Social Media Posts als „Ungeziefer“ bezeichnet werden und jetzt verteidigungslos dem dortigen Militär ausgesetzt sind. Aus 2021 sind bereits zahllose haarsträubende Verbrechen dokumentiert. Die internationale Gemeinschaft darf das nicht zulassen! Minderheitenrechte sind Menschenrechte und müssen respektiert und geschützt werden! 

Am 20.09. trafen wir uns zu einer Aussprache mit dem armenischen Botschafter in einer überfraktionellen parlamentarischen Runde: Ich fordere eine Rückkehr zum Verhandlungstisch und einen sofortigen Stopp jeder Art von Gewalt und Blutvergießen. Denn Gewalt ist nie akzeptabel und nie eine Lösung. Im 21. Jahrhundert sollten Minderheitenrechte selbstverständlich sein. Frieden braucht hier einen Kompromiss. Manchmal tun Kompromisse weh. Aber sie tun weniger weh als Zerstörung und Leid von Kriegshandlungen!

Menschen- und Minderheitenrechte müssen in der Lösung des Bergkarabachkonflikts eine Schlüsselrolle spielen. Es ist entscheidend, dass humanitäre Organisationen und Friedenstruppen Zugang zur Region haben, um humanitäre Hilfe bereitzustellen und die Bedürfnisse der betroffenen Menschen zu erfüllen.

Beim Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915 und 1916 kamen je nach Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Menschen zu Tode. Die internationale Staatengemeinschaft hat damals weggesehen! Wir dürfen diesen Fehler nicht nochmals machen!

Im Parlament haben wir zur Lage in Bergkarabach einen Entschließungsantrag zur sofortigen humanitären Hilfe für für die notleidende Zivilbevölkerung eingebracht. Den vollen Antragstext finden Sie hier:

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stopp des militärischen Kampfeinsatzes und der humanitären Krise in Bergkarabach

BEGRÜNDUNG

Seit dem 12. Dezember 2022 blockiert Aserbaidschan den Latschin-Korridor, die einzige Verbindungstraße zwischen Bergkarabach und Armenien. Gemäß der Erklärung vom 9. November 2020, welche das Ende des blutigen 44-tägigen Krieges markierte, sollte dieser Korridor unter der Kontrolle russischer Truppen offenbleiben. Am 19. September 2023 griff Aserbaidschan in der Region militärisch ein. Zahlreiche internationale Appelle verlangen ein Ende der Kampfhandlungen und eine Rückkehr zum diplomatischen Verhandlungsweg. Eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates wurde einberufen. Am 20. September 2023 wurde eine Feuerpause vereinbart.

Die Blockade des Latschin-Korridors hat in Bergkarabach zu einer schweren humanitären Krise geführt, mit gravierendem Mangel an Nahrungsmitteln und lebenswichtigen Medikamenten sowie Behinderungen der Erdgas- und Stromversorgung. Zudem wurden die Aktivitäten des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) stark beeinträchtigt bzw. verunmöglicht.

Die Europäische Union hat im Februar 2023 im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik die zivile Beobachtermission „European Union Mission in Armenia – EUMA“ zur Beobachtung und Entspannung des Konflikts vor Ort entsendet. Zu den Zielen der Mission zählt es, die menschliche Sicherheit in der Konfliktregion zu unterstützen und das Vertrauen zwischen Armenien und Aserbaidschan zu fördern. Die Mission ist auf zwei Jahre ausgelegt.[1]

Der Internationale Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen erließ am 22. Februar 2023 und 6. Juli 2023 rechtsverbindliche Anordnungen, in denen Aserbaidschan aufgefordert wird, unverzüglich den ununterbrochenen Personen- und Gütertransport durch den Latschin-Korridor in beide Richtungen sicherzustellen. Auch die internationale Gemeinschaft – darunter die EU, die USA, Frankreich und andere EU-Mitgliedstaaten – hat Aserbaidschan wiederholt aufgefordert, den Latschin-Korridor gemäß den Anordnungen des IGH unverzüglich zu öffnen. Das Europäische Parlament hat eine Resolution[2] angenommen, die Aserbaidschan auffordert, den Latschin-Korridor sofort zu öffnen und die Transport-, Energie- und Kommunikationsverbindungen zwischen Armenien und Bergkarabach nicht zu stören.

Der österreichische Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten forderte während einer Pressekonferenz im Anschluss an sein Treffen mit dem armenischen Außenminister in Wien am 18. Juli 2023 die Öffnung des Latschin-Korridors.[3]

Aufgrund der langanhaltenden Blockade des Korridors durch Aserbaidschan hat sich die humanitäre Situation für die Zivilbevölkerung zunehmend und nachhaltig verschlechtert und aufgrund des akuten Mangels an Medikamenten ergeben sich lebensbedrohliche Situationen für vulnerable Personen. Seit einigen Tagen finden humanitäre Hilfslieferungen wieder über die Stadt Aghdam über die Verbindungsroute zwischen Aserbaidschan nach Berg-Karabach statt. Dies ist eine grundsätzlich positive Entwicklung zur Entschärfung der akuten humanitären Situation, dennoch ist es wichtig, dass humanitäre Lieferungen uneingeschränkt auch über den Latschin-Korridor erfolgen können.

Am 15. Dezember 2022 hat der Nationalrat in einer einstimmigen Entschließung betreffend Einsatz für Ende der Gewalt und notwendiges Friedensabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan[4] die Notwendigkeit der vollumfassenden Achtung der Erklärung vom November 2020 und der strikten Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie der völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Infrastruktur sowie der Menschenrechte betont. Wichtig ist, dass Aserbaidschan die Einhaltung von Minderheitenrechten nach internationalen Standards garantiert.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, sich gemeinsam mit den europäischen und internationalen Partnern auf internationaler Ebene, auf EU-Ebene, im Rahmen der OSZE und bilateral weiterhin

  1. für ein Ende des militärischen Kampfeinsatzes durch Aserbaidschan, für Deeskalation und die Fortführung von Friedensbemühungen einzusetzen. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass der Bevölkerung in Bergkarabach der uneingeschränkte Zugang, inklusive über den Latschin-Korridor, zu lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen und die Bewegungsfreiheit im Einklang mit den rechtsverbindlichen Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs und der trilateralen Erklärung vom 9. November 2020 ermöglicht wird;
  2. für die strikte Einhaltung des humanitären Völkerrechts und den Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Infrastruktur sowie der Menschenrechte einzusetzen;
  3. für einen sofortigen freien und ungehinderten Zugang internationaler humanitärer Organisationen nach Bergkarabach einzusetzen, um die humanitäre Lage zu beurteilen und der Zivilbevölkerung dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.“

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Menschenrechtsausschuss vorgeschlagen.

[1] https://www.eeas.europa.eu/euma/eu-mission-armenia-euma_en.

[2] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2023 zu den humanitären Konsequenzen der Blockade von Bergkarabach (2023/2504(RSP)); verfügbar: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0012_DE.html.

[3] https://www.bmeia.gv.at/ministerium/presse/aktuelles/2023/07/migration-und-regionale-sicherheit-im-zentrum-des-treffens-zwischen-aussenminister-schallenberg-und-seinem-armenischen-amtskollegen-mirzoyan.

[4] Antrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz für Ende der Gewalt und notwendiges Friedensabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan; siehe https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/2837

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