Die Entwicklungen in Afghanistan erfüllen uns alle mit großer Sorge – insbesondere um akut bedrohten Personengruppen wie Frauen, Menschen, die mit dem Westen zusammengearbeitet haben, und religiöse Minderheiten wie die nun besonders gefährdeten christlichen Gemeinden im Land.
Österreich hat mit dem größten Auslands-Hilfspaket der österreichischen Geschichte über 20 Mio. Euro bereits einen Beitrag zur Unterstützung der afghanischen Bevölkerung geleistet. Nun gilt es sicherzustellen, dass die österreichischen Hilfsgelder treffsicher ankommen und die Voraussetzungen für den Umgang mit den Taliban geachtet werden.
Im Zuge der vergangenen Nationalratssitzung konnte ich gemeinsam mit der Menschenrechtssprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, einen Entschließungsantrag für eine zielgerichtete Unterstützung der afghanischen Bevölkerung sowie den Einsatz Österreichs für die Wahrung der Menschenrechte und eines selbstbestimmten Lebens in Afghanistan einbringen.
In unserem Entschließungsantrag fordern wir die Bundesregierung auf, sich weiterhin für die Evakuierung verbleibender Österreicherinnen und Österreicher, für eine bedarfsorientierte Verwendung der österreichischen Hilfsmittel in Afghanistan sowie eine konsequente Anwendung der auf EU-Ebene beschlossenen Konditionalitäten im Umgang mit den Taliban einzusetzen. Außerdem soll sich Österreich im Rahmen der EU für die Achtung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, den Schutz von besonders gefährdeten Personengruppen stark machen und gemeinsam mit internationalen Partnern der drohenden Destabilisierung der Region durch Terrorismus, Drogen- und Menschenhandel entgegenwirken.
Unser Antrag wurde am 14. Oktober mit großer Mehrheit vom Nationalrat verabschiedet.
In der Debatte im Plenum zeigte sich wieder einmal, wieso der Weg der Mitte der richtige Weg in der Asyl- und Friedenspolitik ist: am Boden der Rechtsstaatlichkeit so zu helfen, wie es den Menschen am besten gerecht wird.
Dazu hier meine Rede (5:10 Min): https://www.parlament.gv.at/MEDIA/play.shtml?GP=XXVII&INR=127&ITYP=NRSITZ&INR_TEIL=1&DEBATTE=4&TS=1634221932
Hier der Antrag im Wortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gudrun Kugler, Ewa Ernst-Dziedzic, Reinhold Lopatka, Michel Reimen,
Kolleginnen und Kollegen
betreffend die aktuelle Situation in Afghanistan
BEGRÜNDUNG
Afghanistan steht nach der Machtübernahme der Taliban im Epizentrum der internationalen Aufmerksamkeit. Bei den internationalen Reaktionen müssen sowohl die humanitäre Lage als auch die Sicherheitssituation im Land und in der Region berücksichtigt werden. Der Jahrzehnte andauernde bewaffnete Konflikt, die Auswirkungen von COVID-19, die das Land
wirtschaftlich zum Stillstand brachten, wiederkehrende Naturkatastrophen wie Dürre und eine sich vertiefende Armut haben die Zivilbevölkerung schon bisher schwer gezeichnet. Beinahe die Hälfte der afghanischen Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen, jeder dritte Afghane weiß nicht woher seine nächste Mahlzeit kommen soll.
Es ist klar, dass wir dort helfen müssen wo die Hilfe am dringendsten benötigt wird, nämlich vor Ort in Afghanistan und in der Region. Die Bundesregierung hat deshalb mit 20 Mio. Euro das größte humanitäre Hilfspaket geschnürt, das es in Österreich jemals gab. Davon gehen zehn Millionen Euro an das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), fünf Millionen Euro an UN Warnen, drei Millionen Euro an das World Feod Programme und zwei Millionen Euro an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes.
UNHCR benötigt dringend Hilfe für die Flüchtlingslager in den Nachbarländern von Afghanistan. UN-Flüchtlingshochkommissar Grandi sprach bei der jüngsten Geberkonferenz
selbst davon wie wichtig das sei, um zu verhindern, dass sich Flüchtlinge auf den Weg nach Europa aufmachen. Neben der so wichtigen Nahrungsmittelhilfe legt die Bundesregierung
einen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Frauen und Mädchen. Der gleichberechtigte Zugang zu essentiellen lebensrettenden Maßnahmen soll gewährleistet werden, genauso wie
Einkommenssicherheit sowie Schutz vor und Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
Die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen sind nach wie vor in Afghanistan tätig, auch die humanitären Programme im Land laufen weiter. Die Taliban haben den Vereinten Nationen die Einhaltung der humanitären Prinzipien zugesagt, u.a. vollen Zugang und keine Hindernisse für humanitäres Personal und den Schutz der VN-lnfrastruktur. Die internationale Staatengemeinschaft wird genau beobachten, ob diese Zusagen von den Taliban auch eingehalten werden.
Durch diese Unterstützung soll auch vermieden werden, dass die Krise in Afghanistan umliegende Staaten mitreißt. Angesichts der neuen Realitäten ist eine beschränkte Zusammenarbeit mit den Taliban auf technischer Ebene notwendig, ohne ihnen dabei jedoch einen Blankoscheck auszustellen. Die Europäische Union hat sich auf klare
Mindestvoraussetzungen geeinigt, die erfüllt sein müssen, bevor die Taliban als legitime Führung akzeptiert werden. Dazu zählen der Schutz der Grund- und Freiheitsrechte,
ungehinderter humanitärer Zugang, Respekt für internationale Verpflichtungen und die Bildung einer inklusiven Regierung.
Mit dem Fall Kabuls wurde ein gemeinsames Krisenteam von BMEIA, BMI und BMLV eingerichtet, um alle Österreicherinnen und Österreichern in Afghanistan zu unterstützen. In
gemeinsamen Bemühungen mit angrenzenden Staaten konnten mittlerweile bereits über 200 österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bzw. afghanische Staatsangehörige mit
Aufenthaltstitel in Österreich aus Afghanistan evakuiert werden.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht sich weiterhin für die Evakuierung der verbliebenen Österreicherinnen und Österreicher und afghanischen Staatsangehörigen mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich einzusetzen;
- gemeinsam mit den internationalen Partnern eine möglichst effiziente, bedarfsorientierte Verwendung der österreichischen Hilfsmittel sicherzustellen und
sich für die Bereitstellung weiterer österreichischer Hilfsmittel einzusetzen; - sich im Rahmen der Europäischen Union für eine konsequente Anwendung der auf EU-Ebene beschlossenen Konditionalitäten im operativen Umgang mit den Taliban
einzusetzen; - sich weiterhin im Rahmen der Europäischen Union, bilateral sowie in multilateralen Foren für Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte und ein
selbstbestimmtes Leben in Afghanistan einzusetzen, insbesondere jener von Frauen, Mädchen, Minderheiten und anderen akut gefährdeten Personengruppen; - sich für eine koordinierte, gemeinsame europäische Vorgehensweise und weiterhin enge Abstimmung mit internationalen Organisationen wie VN und OSZE einzusetzen;
- gemeinsam mit internationalen und europäischen Partnern einer möglichen Destabilisierung der Region durch Terrorismus, Drogenhandel, Menschenschmuggel
und andere Formen von organisierter Kriminalität entgegenzuwirken.”
Online-Link: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_01928/index.shtml