Man glaubt es kaum: Der Brexit hat noch nicht stattgefunden. Die Briten haben lediglich ihren Willen dazu bekundet.
Ich glaube nicht, dass es bereits aller Tage Abend ist. Kämpfen wir für den Verbleib der Briten in der EU! Machen wir Zugeständnisse, suchen wir Wege, Großbritannien gesichtswahrend in der EU zu halten.
Schaffen wir dafür die Voraussetzungen: nämlich eine Politik der Vernunft und Rückbesinnung auf die eigentlichen Aufgaben der EU. Keine Überregulierung und keine Überforderung der nationalen und kulturellen Identität.
Um zu bleiben braucht das Vereinigte Königreich Partner – „Friends of the UK“ – sozusagen, innerhalb der EU. Österreich kann hier Vorreiter werden!
Der Exit aus dem Breit, die Besinnung auf die eigentlichen Aufgaben der EU, ist in unser aller Interesse.
Im Gegensatz dazu fordern einige Grüne (zumindest in Wien) eine Sozialunion. Was genau soll das bedeuten? Eine europaweite Arbeitslosenversicherung? Eine gemeinsame Familienpolitik? Gleiche Lohnkosten, Sozialleistungen, bis hin zu Mindestlöhnen und Pensionen?
Wenn die EU in die ureigenen Kompetenzen der Mitgliedsstaaten eingreift, schwächt sie sich selbst. Wollen wir das? Die Briten wollen das jedenfalls nicht.
Soll die Sozialunion heißen, dass alle dieselben Sozialstandards haben? Das würde den Lohnkosten-Wettbewerb und damit die osteuropäischen Länder, die sowieso schon einen Wettbewerbsnachteil haben, schwächen.
Eine Sozialunion setzt die Gleichheit der Kaufkraft voraus. Eine verordnete Gleichmachung ist zwischen Ost- und Westeuropa faktisch nicht möglich.
Eine Sozialunion widerspricht dem Prinzip der Subsidiarität. Sie entspricht auch nicht den kulturelle Unterschieden und Gegebenheiten in Europa: In Österreich z.B. ist der Sozialstaat sehr weit ausgebaut: Wollen wir wirklich eine EU- verordnete Nivellierung?
Könnte die Sozialunion dazu führen, dass wir die Pensionen für Pensionisten aus anderen Ländern finanzieren müssten? Ach ja: „…und Österreich zahlt für alle.“
Nein, die Forderung nach einer Sozialunion geht an der Realität vorbei. Stattdessen sollten wir vernünftige Lösungen finden für praktische Fragen suchen: Dazu gehört auch eine gerechtere Regelung als die österreichische Familienbeihilfe in voller Höhe ins EU – Ausland zu schicken.
Die wesentlichen Ziele der EU sind der Binnenmarkt, die Zollunion – und das Friedensprojekt. Gerade für Österreich wäre es schwierig ein Handelsabkommen mit Japan und China auszuhandeln. Wir würden von großen, mächtigen Ländern gar nicht ernst genommen werden! Europa muss handelspolitisch geeint auftreten.
Wie sollten sich sonst internationale Firmen in Österreich ansiedeln, die Autos produzieren – und sie dann außerhalb Österreichs nur nach Zöllen und anderen Abgaben verkaufen können? Nein, dafür ist die Wirtschaft zu sensibel und zu komplex. Früher haben wir unsere Bauernhäuser selbst gebaut und unsere Trachten selbst genäht. Heute hängen Produktion und Verkauf an unzähligen Mitspielern.
Österreich braucht die Europäische Union – und muss dazu beitragen, dass es sie auch noch länger gibt. Dazu sollten wir Wege suchen, um die Briten zum Bleiben zu bewegen.
Dr. Gudrun Kugler ist ÖVP-Wien Europa-Bereichssprecherin.