Missverständnisse über Menschenrechte in der Politik – meine Rede bei der Nationalratssitzung
28. Mai 2020
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Menschenrechte in der Politik – hier meine Rede bei der Plenarsitzung vom 26. Mai über einige Missverständnisse (4:44 Min):

“Um Menschenrechte langfristig abzusichern, müssen wir sie im Wesen des Menschen, im Menschen selbst, verankern und dürfen sie nicht als ideologischen Spielball verwenden. Das Phänomen Mensch – als Leib-Geist-Seele-Phänomen bedeutet, dass auch für den Menschen Existenzbedingungen gelten, die wir nicht frei erfinden können.”

 

Zum Nachlesen – die Rede im Wortlaut:

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Wirkungsziele im Bereich Justiz im Budget ansieht, dann kommt man sehr schnell auf das Konzept Menschenrechte. Das sind teilweise gleichlautende Wirkungsziele: Rechtsicherheit, gleicher Zugang, aber auch, dass wir mehr Geld für Personal im Bereich Freiheitsentzug ausgeben. All das entspringt natürlich auch direkt den Menschenrechten. Genauso ist es auch in den anderen Untergliederungen. Die Menschenrechte stehen hinter den Wirkungszielen in unserem Budget.

Da schon vieles gesagt wurde, wie etwa von Frau Kollegin Fischer, möchte ich heute ein paar Gedanken über Menschenrechte einbringen, weil ich glaube, dass Menschenrechte zweifach in einer Krise stehen: Einerseits gibt es viele Menschen, die sagen, durch die Coronamaßnahmen sind ihre Menschenrechte verletzt. Darauf, so glaube ich, müssen wir unbedingt antworten, denn es stimmt, dass die Coronamaßnahmen in Menschenrechte eingreifen; die Liste brauche ich Ihnen hier nicht aufzuzählen. Ist aber jeder Eingriff eine Verletzung? – Natürlich nicht. Vor ungefähr einer Woche hat die frühere Kanzlerin Bierlein das auch sehr gut in der „ZIB 2“ erklärt: Ein Eingriff ist dann keine Verletzung, wenn öffentliches Interesse an der Zielerreichung besteht, wenn sich das Mittel eignet, das Mittel erforderlich ist und eine Verhältnismäßigkeit zwischen Ziel und Eingriff besteht.

Man nennt das Grundrechtsprüfung.

Im Ausschuss haben wir dieses Thema auch schon diskutiert und die NEOS haben diese Unterscheidung zwischen Eingriff und Verletzung als eine rein semantische bezeichnet. Das finde ich schade. Herr Dr. Margreiter, Sie werden sicher eine Jusstudentin finden, die Ihnen ein Skriptum borgt: Die Grundrechtsprüfung ist aus unserem Grundrechtsverständnis nicht wegzudenken; die Letztentscheidung liegt natürlich bei den Höchstgerichten.

Die Menschenrechte stehen aber auch noch auf einer anderen Ebene auf dem Prüfstand, nämlich dann, wenn man immer wieder – und das klingt vielleicht für einige schockierend – so etwas hört, wie: „Lass mich mit Menschenrechten in Ruhe!“ Ich habe mit einem ansonsten sehr redlichen Politiker aus dem Kaukasus geredet, der mir gesagt hat: „Ich will mit Menschenrechtsaktivisten nichts zu tun haben.“

Was läuft denn da schief? – 1948 war die Welt nach den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs in einem Schockzustand. Man hat die Menschenrechte gemeinsam als Vorbedingung des Friedens formuliert. Die Anerkennung der Menschenrechte bedeutete damals – und so ist es noch heute, und jetzt sage ich einen schwierigen philosophischen Satz – die Unterordnung des Staates unter die menschliche Person. Wir sehen aber, dass die Menschenrechte in der Zwischenzeit zum Teil zu einem Mittel in einem Kulturkampf geworden sind.

Was heißt das? – Ich sage Ihnen Beispiele: Kürzlich hat ein überregionales Gericht ein Recht auf illegale Hausbesetzung festgestellt. Es gibt Stimmen, die sagen, es gibt ein Menschenrecht auf ein Kind und deswegen muss mir eine Leihmutter zur Verfügung stehen. Es gibt Stimmen, die sagen, es gibt ein Menschenrecht auf Euthanasie. Man kann noch viele solche Beispiele finden. Ausschlaggebend bei diesem Missverständnis der Menschenrechte ist immer, dass es allein um den subjektiven Willen geht: weil ich es will. Ein Straßburger Jurist hat gesagt: so wie die Freiheit eines Waisenkindes.

Die ursprüngliche Idee der Menschenrechte – und ich muss mich entschuldigen, das klingt philosophisch – war eine personalistische: das Phänomen Mensch im Zentrum, das Leib-Geist-Seele-Phänomen. Die Idee war, dass so, wie man über Ökologie im generellen Sinne sprechen kann, auch für den Menschen Existenzbedingungen gelten, die wir nicht frei erfinden können.

Descartes hat gesagt – ich zitiere –: Für die gesamte Natur gelten vergleichbare Gesetzmäßigkeiten. Der Mensch ist Teil der Natur. – Zitatende. Dass der Mensch Rechte hat, gehört zu seiner Natur, und wenn wir die Menschenrechte hochhalten wollen, wenn wir sie verteidigen und wenn wir sie langfristig absichern wollen, dann müssen wir sie im Wesen des Menschen, im Menschen selbst verankern, und wir dürfen sie nicht als ideologischen Spielball verwenden.

Dass die Menschenrechte in den Wirkungszielen des Budgets den unterschiedlichsten Untergruppen zugrunde liegen, zeigt, dass es uns nicht um Ideologie geht, sondern um einen Dienst am Menschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Bernhard: Das war eine gute Rede! Oder? – Abg. Brandstätter: Ja!)

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1 comment

  1. Eine sehr engagierte Rede! Ich denke man muss jedoch auch das Thema Menschenpflichten stärker diskutieren – Karl Stickler hat dazu letztes Jahr einen kompakten Vorschlag in Buchform präsentiert – davor auch Almeida Assmann – Material gibt es also schon zu dem Thema …

    MFG Doris Öhlzand