Sozialunion? CETA? Familienförderung durch der EU? Gewissensfreiheit? Kugler’sche Europarede vom 21.10. 2016
21. Oktober 2016
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21.10. 2016 – VP-Kugler: Schaffen wir eine Europäische Union, die den Lebensrealitäten entspricht.

„Es muss eine Europäische Union geschaffen werden, die den Lebensrealitäten entspricht. Eine Union, die den Mitgliedstaaten Rahmenbedingungen bietet, in denen sie ihre eigenen Probleme lösen können. Schaffen wir für eine zukünftige starke EU die nötigen Voraussetzungen: nämlich eine Politik der Vernunft und Rückbesinnung auf die eigentlichen Aufgaben der EU. Das heißt auch keine Überregulierung und keine Überforderung der nationalen und kulturellen Identität“, so ÖVP Wien Europasprecherin Gemeinderätin Gudrun Kugler in der Europa-Debatte im Wiener Gemeinderat am 21.10. 2016.

„Die Forderung nach einer Sozialunion, die vor allem seitens der Grünen ins Treffen geführt werden, geht an der Realität vorbei. Eine Sozialunion widerspricht dem Prinzip der Subsidiarität. Sie entspricht auch nicht den kulturelle Unterschieden und Gegebenheiten in Europa. In Österreich ist der Sozialstaat beispielsweise sehr weit ausgebaut: Wollen wir wirklich eine EU-verordnete Nivellierung?“, so Kugler weiter. Stattdessen sollten vernünftige Lösungen für praktische Fragen gefunden werden. Dazu gehöre vor allem auch eine gerechtere Regelung als die österreichische Familienbeihilfe in voller Höhe ins EU – Ausland zu schicken. Die wesentlichen Ziele der EU seien der Binnenmarkt, die Zoll- und Handelsunion und die Erhaltung des innereuropäischen Friedens.

Als eine der vorrangigsten Lebensrealitäten in Europa nannte Kugler die Familie. Diese sei vermehrt armutsgefährdet: „Von den Mehrkindfamilien sind 2 von 3 arm oder armutsgefährdet. Für Familienpolitik sind die Mitgliedsstaaten verantwortlich. Als Querschnittmaterie unterstützt die EU familienfreundliche Maßnahmen – und das ist gut so. Aber auch Wien könnte hier viel mehr tun,“ so Kugler weiter.

Hier meine Rede vom 21. Oktober 2016 zum den Themen: Sozialunion, CETA, Familienförderung durch der EU, Gewissensfreiheit, Brexit und Zukunft der EU.
Auf youtube (16 min): https://www.youtube.com/watch?v=shRSMebS5f8

Ist die Sozialunion als Antwort auf den Brexit?

Am 27.06.2016 forderten die Grünen als Antwort auf den Brexit eine vertiefte Union – eine Sozialunion:
GRin Mag. Barbara Huemer (GRÜNE): “Die Kritik, die derzeit geäußert wird, ist nicht unbedingt eine Kritik gegen die EU, sondern eine Forderung an ein neues, an ein anderes Europa, an eine Sozialunion, und weniger von diesem neoliberalen Kurs, den wir haben.“
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE): „Nein, ich will nicht ein Zurück zur Wirtschaftsunion, denn diese Reduzierung auf eine Wirtschaftsunion ist es, was die Rechtsextremen in Europa so stark macht. Ohne Sozialunion, ohne Menschenrechtsunion, ohne Friedensunion kann eine Wirtschaftsunion alleine heute nicht mehr existieren und wird vor allem von den Menschen nicht mehr akzeptiert. Deshalb ist es so wichtig, dass wir wirklich gemeinsam an einer Sozialunion weiterarbeiten.“

Warum wollen die Grünen eine Sozialunion?
– Weniger Unzufriedenheit bei den Menschen durch mehr sozialen Ausgleich?
– Oder wollen Sie damit den Euro retten? Weil ohne gemeinsame Budgetpolitik eine Währung nicht funktionieren kann? Und weil entscheidende Schwachstellen der Architektur der Währungsunion übersehen wurden. Diese Schwachstellen müssen nun grundlegend korrigiert werden.
Das Anliegen teile ich – aber wir können uns nicht von Schmerzen befreien indem wir uns andere Wunden zufügen.

Was soll Sozialunion eigentlich bedeuten?
– Soll die Sozialunion heißen, dass alle dieselben Sozialstandards haben? Das würde den Lohnkosten-Wettbewerb und damit die osteuropäischen Länder, die sowieso schon einen Wettbewerbsnachteil haben, schwächen.

– Gleiche Sozialleistungen, bis hin zu Mindestlöhnen und Pensionen? Eine europaweite Arbeitslosenversicherung? Eine gemeinsame Familienpolitik? Das ist eine Nivellierung nach unten! Und das geht nur über EU-Steuern, und ein gemeinsames Budget.

Wenn die EU in die ureigenen Kompetenzen der Mitgliedsstaaten eingreift, schwächt sie sich selbst. Wollen wir das? Die Briten wollen das jedenfalls nicht.

– Eine Sozialunion ist immer vor allem eine Transferunion. Wollen wir die Pensionen in anderen Ländern zahlen? Das kann nicht im Interesse Österreichs liegen. Ach ja: Spottlied vom Wiener Kongress: „…und Österreich zahlt für alle.“

– Eine Sozialunion setzt die Gleichheit der Kaufkraft voraus. Eine verordnete Gleichmachung ist zwischen Ost- und Westeuropa faktisch nicht möglich.

– Eine Sozialunion widerspricht dem Prinzip der Subsidiarität. Sie entspricht auch nicht den kulturelle Unterschieden und Gegebenheiten in Europa: In Österreich z.B. ist der Sozialstaat sehr weit ausgebaut: Wollen wir wirklich eine EU- verordnete Nivellierung?

Nein, die Forderung nach einer Sozialunion geht an der Realität vorbei. Stattdessen sollten wir vernünftige Lösungen finden für praktische Fragen suchen: Dazu gehört auch eine gerechtere Regelung als die österreichische Familienbeihilfe in voller Höhe ins EU – Ausland zu schicken.

Die wesentlichen Ziele der EU sind der Binnenmarkt, die Zoll- und Handelsunion – und die Erhaltung des innereuropäischen Friedens.

Gerade für Österreich wäre es schwierig ein Handelsabkommen mit Japan und China auszuhandeln. Wir würden von großen, mächtigen Ländern gar nicht ernst genommen werden! Europa muss handelspolitisch geeint auftreten.

Wie sollten sich sonst internationale Firmen in Österreich ansiedeln, die Autos produzieren – und sie dann außerhalb Österreichs nur nach Zöllen und anderen Abgaben verkaufen können? Nein, dafür ist die Wirtschaft zu sensibel und zu komplex. Früher haben wir unsere Bauernhäuser selbst gebaut und unsere Trachten selbst genäht. Heute hängen Produktion und Verkauf an unzähligen Mitspielern.

Zum CETA – Gezetter:

Die Grünen fordern eine Sozialunion – aber wollen keine Handelsabkommen. Schwer zu verstehen. Die Frage ist – was ist populär oder richtig?

Die Ablehnung gegen CETA ist laut einer OGM Umfrage bei den Grünwählern am stärksten (73%) – ist das Grund genug? Sie wissen, wie man das nennt – Populismus! Auch bei ÖVP Wählern ist CETA nicht beliebt – wir denken trotzdem über die Inhalte nach und suchen nach der besten Lösung.

Man stellt also die Frage: Warum brauchen wir Schiedsgerichte, wenn wir eh funktionierende Gerichtsbarkeiten haben?

– Vorteil für österr. Unternehmen, wenn sie nicht in Kanada prozessieren müssen!
– Nationale Gerichte können nur nationale Gesetze anwenden – das sind die 60 Investitionsschutzabkommen, die Österreich ratifiziert hat, nicht
– Die Arbitrators sind mit der Materie vertraut!
– Die „friendly settlements“ sind häufiger
– Die Kosten sind geringer

Wir verdienen 6 von 10 Euros im Ausland. Jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich ist direkt oder indirekt vom Export abhängig. Das österreichische Exportvolumen nach Kanada beträgt etwas mehr als eine Milliarde Euro – das Importvolumen aus Kanada beträgt davon nur etwas mehr als die Hälfte!

Der langjährige Chef der sozialdemokratischen Abgeordneten im EU-Parlament, Hannes Swoboda rät zu einem pragmatischen Ja zu CETA. Zu den umstrittenen Schiedsgerichten sagt Swoboda: “Europäische Unternehmen haben es in den USA tatsächlich oft schwer, zu ihrem Recht zu kommen. Da sind Schiedsgerichte hilfreich.” Ebenso die Genossen in Schweden und Frankreich.

Bedenken wir:
– Kanada ist im Schutz von Landwirtschaft, Klimaschutz, Konsumentenschutz uns Europäern ähnlich!
– Der Markt in Kanada ist nicht groß, er ist kleiner als Polen.
Wovor haben wir Angst? Wir müssen an uns selbst glauben!! Wir müssen den europ. Markt stärken, die Unternehmen stärken, gegen die Arbeitslosigkeit vorgehen – an uns selbst glauben!!

Zurück zur Zukunft und zur Gestaltung der EU:
Die EU sollte sich aus anderen Politikbereichen, wie etwa der Sozial- und Steuerpolitik, zurückziehen. Eurobarometer: Austrians predominantly support EU’s economic and monetary policy (69 vs. 25).

D.h.: Schaffen wir eine Union, die den Lebensrealitäten entspricht. Die den Mitgliedstaaten Rahmenbedingungen bietet, in denen sie ihre eigenen Probleme lösen können.

Der neueste Eurobarometer zeigt uns, wo sich Österreicher von anderen EU-Staaten unterscheiden:
ÖSTERREICHER sorgen sich mehr als andere um:

Public finances of the EU member states: 20%
Crime: 19%
Working conditions: 15%
Diese Sorgen müssen ernster genommen werden.

Ein großes Problem ist der Anstieg der Armut und der Armutsgefährdung der Familien:
Hier ein paar Zahlen:

27,4 Mio Kinder und Jugendliche sind akut armutsgefährdet.
– Ein Grund ist die Wirstchaftkrise, die zu familienunfreundlichen Maßnahmen geführt hat.
– Und die verstärkte Armutsvererbung.

80 % der Kinder und Jugendlichen leben mit ihren beiden leiblichen Eltern.
71,4 % der Paare in Europa sind miteinander verheiratet.
1 von 4 Europäern ist armutsgefährdet. Bei Mehrkindfamilien sind es 2 von 3, bei Alleinerziehern 1 von 2.
Für Familienpolitik sind die Mitgliedsstaaten verantwortlich. Aber als Querschnittmaterie unterstützt die EU familienfreundliche Maßnahmen – das ist gut so. Auch Wien könnte hier viel mehr tun!

Im Gegensatz zu den Lebensrealitäten kochen andere aber ihr eigenes ideologisches Süppchen: : Am 28. September haben Sie, Frau Angelikar Mlinar (Mitglied des europ. Parlaments der NEOS), mit Ihrer Veranstaltung „Sauberes Gewissens“ gefordert, die Gewissensfreiheit einzuschränken – „zu regulieren“: „The consequences of allowing unregulated appeal to conscience are ethically and substantially harmful,” hieß es dort.

Zu viel Gewissensfreiheit, zu viel Menschenrechte? Müssen wir Freiheit regulieren?
Sie sprechen von Rechten, die gegeneinander ausgespielt werden: Es handelt sich aber nicht um Rechte:
– es gibt kein Recht auf Euthanasie, kein Recht auf embryonale Stammzellforschung, kein Recht auf Abtreibung
Aber es gibt ein Recht auf Selbstbestimmung, auf Gewissensfreiheit – und wir brauchen keine Strafen auf freie Entscheidungen.
Ein säkulares Europa braucht Platz für alle – reasonable accomodation – nennt man das auf Englisch.

Noch ein Wort zum BREXIT:
Man glaubt es kaum: Der Brexit hat noch nicht stattgefunden. Die Briten haben lediglich ihren Willen dazu bekundet.

Ich glaube nicht, dass es bereits aller Tage Abend ist. Kämpfen wir für den Verbleib der Briten in der EU! Machen wir Zugeständnisse, suchen wir Wege, Großbritannien gesichtswahrend in der EU zu halten.

Ich lerne aus dem Brexit-Referendum für uns hier in Wien zwei Dinge, und die möchte ich heute noch einmal unterstreichen:

1) Das eine ist, dass die Politik sich nicht alles erlauben darf. Und das betrifft eben nicht nur die Europäische Union, das betrifft auch Wien und das betrifft auch Österreich. Unverständliche Politik von oben herab, an den Menschen vorbei, an den Anliegen der Menschen vorbei, das funktioniert einfach nicht.
Österreich, Wien und die Europäische Union, alle politischen Institutionen müssen sich auf ihre eigentlichen Fundamente, ihre eigentlichen Aufgaben rückbesinnen.

2) Wir müssen ein das Gefühl vermitteln, dass die Menschen Europa mitgestalten können – dass jede Stimme zählt, und dass es unser gemeinsames Europa ist.

Only 38% of Europeans feel that their vote counts in the EU.
In Austria, 51% feel that it does, 44% that it doesn’t.
However, what’s interesting is that in the last European Parliament elections only 45.39% of the Austrians went to vote. It means that a large percentage of the ‘yes’ voters didn’t even feel bothered to go out to perform their democratic duty.

Vermitteln wir ein Gefühl, dass es unsere EU ist. 69% of Austrians feel that they are citizens of the EU while 30% do not.

Abschließend halte ich fest:

Schaffen wir für eine zukünftige starke EU die Voraussetzungen: nämlich eine Politik der Vernunft und Rückbesinnung auf die eigentlichen Aufgaben der EU. Keine Überregulierung und keine Überforderung der nationalen und kulturellen Identität. Keine Ideologisierung.

Um zu bleiben braucht das Vereinigte Königreich Partner – „Friends of the UK“ – sozusagen, innerhalb der EU. Österreich kann hier Vorreiter werden!
Der Exit aus dem Brexit, die Besinnung auf die eigentlichen Aufgaben der EU, ist in unser aller Interesse. Auch Wien kann hier beitragen, eine Brücke zu bauen!

Link zur Pressemeldung: http://oevp-wien.at/nachrichten/archiv/2016/10/vp_kugler_schaffen_wir_eine_europaeische_union_die_den_lebensrealitaeten_entspricht

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1 comment

  1. Birklbauer Gottfried

    Danke für diesen Beitrag, sie vertreten das Volk sehr gut.