Sandra Norak ist eine deutsche Aktivistin, die sechs Jahre lang durch eine “Loverboy”-Masche Opfer von Prostitution wurde. Heute ist sie eine starke Stimme für die Menschenrechte von betroffenen Frauen. Sie hat erlebt, wie Mädchen und Frauen Gewalt ausgesetzt sind und sagt: “Ich habe in jedem Bordell Menschenhandel und Zwangsprostitution gesehen und das Nordische Modell sehe ich als das einzige Gesetzesmodell an, mit dem Zuhälterei und Menschenhandel besser verfolgt werden können”. Sandra Norak war nur eine von “geschätzten 200.000 bis 400.000 Menschen in der Prostitution in Deutschland”.
Norak erklärt weiter: “Eine liberale Gesetzgebung und ein liberaler Umgang zu Prostitution schaffen eine hohe Nachfrage nach käuflichem Sex, die durch ein entsprechend hohes Angebot gestillt werden muss. Dies ist ein großer Nährboden für Menschenhändler – das hohe Angebot an Frauen zu beschaffen und damit den größten Profit zu machen. In legalem Umfeld, in legalen Bordellen, können sie leider hervorragend ihren “Geschäften” mit der “Ware Frau” nachgehen. Unter dem Schein der Legalität. In Deutschland werden Bordellbetreiber als Geschäftsleute angesehen, obwohl diese häufig sehr genau wissen, wer die Frauen in ihr Bordell bringt und sie damit oft von dem Menschenhandel und der Zwangsprostitution wissen, was bedeutet, dass sie Beihilfe zum Menschenhandel leisten, was auch der Fall des Bordellbetreibers Jürgen Rudloff gezeigt hat. Die Ermittlungen dazu waren sehr aufwendig. Die Verbindungen zwischen Bordellbetreibern und Zuhältern/Menschenhändlern nachzuweisen ist sehr schwierig und meist kaum möglich.”
“Es braucht hier Gesetze, die den Prostituierten ausreichend helfen und sie schützen,” betont Norak. “Gesetze, die eine gute Strafverfolgung überhaupt erst ermöglichen. Gesetze, die an objektive Merkmale anknüpfen und es den Strafverfolgungsbehörden erleichtern in diesem undurchsichtigen Feld des Rotlichtmilieus wirklich erfolgreich aktiv werden zu können. Prostitution ist eng verknüpft mit organisierter Kriminalität. Die Ausbeutung von Frauen in der Prostitution ist eins der lukrativsten Geschäfte für Kriminelle. Und solange die Nachfrage legal bleibt, solange wird die Ausbeutung von überwiegend Frauen blühen. Prostitution ist zudem (strukturelle) Gewalt gegen Mädchen und Frauen und der Gleichstellung von Männern und Frauen hinderlich, da die Nachfrage nahezu ausschließlich von Männern bestimmt wird und auf der Angebotsseite nahezu ausschließlich Frauen stehen. Das Nordische Modell ist nicht nur ein Gesetzespaket, sondern auch die Aussage und die Haltung einer Gesellschaft, dass sie diese Form der Gewalt und die kriminellen Auswüchse dieses Systems nicht mehr einfach so hinnimmt, sondern anfängt ernsthaft dagegen anzukämpfen.”
Auch die international renommierte Psychotraumatologin, Dr. Ingeborg Kraus betont die Wichtigkeit eines solchen Sexkaufverbots und erinnert an die Einführung der Freierbestrafung durch die französische Nationalversammlung im Jahr 2016 – und deren klare Aussage: „Prostitution ist Gewalt!“.
Studien zufolge ist das Risiko einer Posttraumatischen Belastungsstörung in der Prostitution doppelt so hoch wie im Krieg. Dr. Kraus erklärt dazu: „Unter keinen Umständen kann Prostitution als Arbeit oder als eine Dienstleistung definiert werden, da die erogenen und reproduktiven Körperteile von Frauen zu empfindsam sind, um als Werkzeug vergegenständlicht zu werden. Prostitution kann nur unter einem Zustand der Dissoziation praktiziert werden. Dieses „sich abschalten“ wird in der Prostitution „gelernt“ oder wurde schon in der Kindheit angeeignet. Auch hier haben viele Studien den Zusammenhang zwischen dem Eintritt in die Prostitution und Gewalterfahrungen in der Kindheit festgestellt. Für die Frauen bedeutet Prostitution eine Fortsetzung der Gewalt. Das System Prostitution benutzt diese (Vor-)Traumatisierungen für ihre eigenen Interessen und Profite.”
“Das Leben und die Rechte dieser Frauen werden geopfert. Aber wofür? Verteidigen sie unsere Demokratie? Ist es, um unser Land vor Invasion oder Terrorismus zu schützen? Nein, diese Frauen werden dafür geopfert, dass einige Männer Sex haben können wann immer sie wollen, mit wem und wie sie es wollen. Und das ist das Problem. Sexkauf darf nicht erlaubt sein!
Staaten, die Prostitution als Sexarbeit deklarieren und Sexkauf legalisieren, schließen nicht nur ihre Augen vor dieser extremen Gewalt gegen Frauen, sondern profitieren auch noch über Steuergelder davon. Der Staat ist hier nicht neutral, sondern nimmt eine aktive Rolle ein, indem er als erster die Gewalt gegen Frauen in der Prostitution verleugnet und diese Verleugnung auch gesamtgesellschaftlich fördert. So finden tagtäglich zahlreiche Vergewaltigungen in der Prostitution statt, die jedoch straflos bleiben!”, so Dr. Kraus.
“Mit dem Nordischen Modell wird diese Gewalt sichtbar gemacht, Männern wird gesagt, dass Frauen keine Ware sind und Frauen wird geholfen, aus der Prostitution auszusteigen.”
Dr. Kraus und Norak sind sich einig darin, dass das nordische Modell nicht nur ein Gesetz ist, sondern auch eine klare Aussage für die Gesellschaft: “Frauen sind keine Verkaufsobjekte”.
“Wenn wir über Prostitution sprechen, dann ist es notwendig, gleichzeitig darüber nachzudenken, in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben wollen und nicht nur über Schadensbegrenzung. Denn der Blick des Freiers bleibt nicht hinter den Türen der Bordelle verschlossen, sondern überträgt sich auf jede Frau und verdinglicht sie. Es verpestet die Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Deswegen: Solange Sexkauf vom Staat als Legal abgesegnet wird kann man von einer Gleichstellung zwischen Mann und Frau nicht sprechen”, so Dr. Kraus.
Die deutsche Psychotraumatologin Dr. Ingeborg Kraus ist darüber empört, dass die Deutsche Regierung bei der Novellierung ihres Prositutionsgesetz im Jahr 2017 nicht auf den Rat der Expertinnen eingegangen ist und die Erhöhung des Prostitutionsalters auf 21 Jahre nicht eingeführt hat, denn: „Je jünger die Frauen, je schwerer das Trauma und schwerwiegender die Auswirkungen. Wenn die Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist, hat es fast immer schlimme Folgen.“
Bereits 2014 wies das Europäische Parlament darauf hin, dass es immer mehr minderjährige Prostituierte gibt und vertritt die Auffassung, dass das sogenannte Nordische Modell „eine Methode ist, den Handel mit Frauen und Mädchen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung zu bekämpfen und die geschelchtergleichstellung zu verbessern“.
Das Europäische Parlament vertritt die Auffassung, „dass Prostitution und sexuelle Ausbeutung stark geschlechtsspezifisch determiniert sind und Verstöße gegen die Menschenwürde sowie einen Widerspruch gegen die Menschenrechtsprinzipien wie beispielsweise die Gleichstellung der Geschlechter darstellen und daher mit den Grundsätzen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, einschließlich des Ziels und des Grundsatzes der Gleichstellung der Geschlechter, unvereinbar sind“ (Europäische Parlament (Absatz 1, 2013/2103(INI)).
In Österreich ist das Prostitutionsalter Landessache und nach Land unterschiedlich.
Das aktuelle Einstiegsalter liegt in folgenden Bundesländern bei 18 Jahren: Kärnten (RIS K-PRG § 4.); Burgenland (RIS LGBl. Nr. 30/2019); Wien (RIS WPG 2011); Salzburg (S.LSG); Tirol (LGBl. Nr. 60/1976) und Oberösterreich (Oö. SDLG) und in folgenden bei 19 Jahren: in der Steiemark (RIS LGBl. Nr. 16/1998); Niederösterreich (NÖ Prostitutionsgesetz – LGBl. 4005-0) und Voralrberg: 19 (LGBl.Nr. 6/1976).
Wir brauchen das Nordische Modell! und bis dahin eine sofortige Vereinheitlichung der Anhebung des Prostitutionsalters auf 21 Jahre für ganz Österreich. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung und eine erste wichtige Schutzmaßnahme für Mädchen und junge Frauen vor (Zwangs-)Prostitution!
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Link: Interview mit Ingeborg Kraus, 27. 1. 2018: http://www.bento.de/gefuehle/prostitution-was-sexarbeit-anrichten-kann-2034187/