Seit dem militärischen Vorgehen Aserbaidschans im September letzten Jahres in der Region Bergkarabach und der damit ausgelösten Massenflucht von mehr als 100.000 Menschen, ethnischen Armenierinnen und Armenier aus der Region, ist die Lage der Geflüchteten nach wie vor schwierig. Es ist eine humanitäre Tragödie, welche die Armenierinnen und Armenier von Karabach durchleben mussten, als sie ihre Häuser, und das Land ihrer Vorfahren sowie ihr kulturelles Erbe verlassen mussten. Die armenische Regierung bot den Geflüchteten Flüchtlingsstatus an, die Möglichkeit, die armenische Staatsbürgerschaft zu erwerben, sowie allen vertriebenen Menschen finanzielle Unterstützung für mindestens ein Jahr. Die Folgen des Massenexodus stellt das Land jedoch weiterhin vor soziale und wirtschaftliche Herausforderungen. Gleichzeitig scheint eine dauerhafte Friedenslösung zwischen Aserbaidschan und Armenien möglich zu werden. Um die Menschen und den Friedensprozess zu unterstützen haben wir im Parlament am 17. April diesen Entschließungsantrag eingebracht:
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Eva-Maria Holzleitner, BSc, Dr. Ewa Ernst Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter,
Kolleginnen und Kollegen
betreffend Österreichs Engagement in der Region Bergkarabach und Verbesserung der Lebensbedingungen der geflüchteten Zivilbevölkerung, insbesondere von Frauen und Kindern
eingebracht im Zuge der Debatte in der 259. Sitzung des Nationalrates zum Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2024 (111-1109/2505 d.B.)
Der ungelöste Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien wird auch im Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2024 (111-1109 d. B.) thematisiert.
Das militärische Vorgehen Aserbaidschans im September 2023 in die (mittlerweile aufgelöste) Region Bergkarabach verursachte einen Massenexodus von fast der Gesamtheit aller ethnischen Armenierinnen und Armenier aus der Region. Dieser Massenflucht war bereits eine sehr eingeschränkte Versorgung durch eine neunmonatige Blockade des Latschin-Korridors in die Region durch Aserbaidschan und damit eine schwere humanitäre Krise für die dortige Zivilbevölkerung vorausgegangen. Auch wenn viele aus Bergkarabach Geflüchtete in andere Länder weitergezogen sind, so stellen die Folgen des Massenexodus der im September 2023 ca. 100.000, größtenteils nach Armenien geflohenen Bewohner Bergkarabachs, das Land weiterhin vor soziale und wirtschaftliche Herausforderungen.
Österreich reagierte umgehend auf die humanitäre Notsituation und stellte insgesamt EUR 2 Millionen an humanitärer Soforthilfe für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) zur Bewältigung der Krise zur Verfügung. Mit dieser Unterstützung werden insbesondere die Renovierung der Wasserinfrastruktur und der sanitären Einrichtungen in Schulen finanziert; außerdem werden mehr als 1.100 vertriebene Haushalte finanziell unterstützt. Von EU-Seite wurde aufgrund des Massenzustroms nach Armenien die humanitäre Hilfe um ca. EU 12,2 Millionen erhöht. Für 2024 wird die EU mindestens EUR 5,5 Millionen an humanitärer Unterstützung für Armenien zur Verfügung stellen.
Armenien ist seit 2011 Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Mit derzeit 20 laufenden Projekten in einem Gesamtwert von mehr als EUR 41 Millionen wird unter anderem die nachhaltige ländliche Entwicklung in Armenien gefördert. Mit den Mitteln der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit werden die Lebensgrundlagen verbessert und die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung erhöht.
Der Konflikt und die bewaffnete Auseinandersetzung bringen Leid vor allem für die Zivilbevölkerung, die häufig von psychischen Belastungen und Traumatisierungen betroffen ist. Die Zivilistinnen und Zivilisten mussten nicht nur aus ihrer Heimat flüchten, sondern haben auch Angehörige im Laufe der bewaffneten Auseinandersetzung verloren. Vor allem Frauen sind häufig physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Kinder 1207/UEA XXVII. GP – Entschließungsantrag (gescanntes Original) 1 von 3 www.parlament.gv.at wiederum werden durch Krieg und Vertreibung ihrer Kindheit und Bildungsmöglichkeiten beraubt. Im Jahr 2020 konnten schätzungsweise mehr als 20.000 Kinder keine Schulen besuchen, da auch Bildungseinrichtungen bombardiert wurden. Aus diesem Grund muss diese schwierige Situation von geflüchteten Frauen und Kindern in der Unterstützung der Zivilbevölkerung eine besondere Berücksichtigung finden und sichergestellt werden, dass die internationale Unterstützung diese vulnerablen Gruppen gezielt und ungehindert erreicht. Es muss zudem gewährleistet werden, dass Kinder Zugang zu Bildung haben und Kinderrechte geachtet werden.
Wie der Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2024 klar feststellt, darf der ungelöste Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien nicht aus den Augen verloren werden. Die Menschen in der Region haben das Recht, dauerhaft in Frieden, Sicherheit und in ihrem Eigentum leben zu können. Damit das religiöse und kulturelle Erbe der Region für die künftigen Generationen bewahrt bleibt, ist der Schutz von Kulturgütern und Kirchen in Bergkarabach dringend erforderlich. Eine notwendige Stabilisierung und Befriedung der Region können nur durch den Ausbau von gegenseitigem Vertrauen und über den Weg von fortzuführenden Verhandlungen zwischen Aserbaidschan und Armenien zur Herbeiführung einer nachhaltigen Friedenslösung gefunden werden. Dafür leistet vor allem die EU einen wesentlichen Beitrag. Die seit Februar 2023 im Einsatz befindliche zivile EU-Mission in Armenien leistet einen Beitrag zur Verringerung militärischer Zwischenfälle sowie zur Risikoreduktion für die Bevölkerung.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen: „Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht
• sich auf europäischer und internationaler Ebene weiterhin dafür einzusetzen, dass internationale und europäische Hilfsgelder und -leistungen die Zivilbevölkerung, die aus Bergkarabach flüchten musste und unter den Folgen der militärischen Auseinandersetzung leidet, auch künftig gezielt erreicht und darauf hinzuwirken, dass dabei die besonders vulnerable Situation von geflüchteten Frauen und Kindern berücksichtigt wird, damit diese die Folgen des Konfliktes bewältigen und in Frieden leben können.
• sicherzustellen, dass die österreichischen Entwicklungsprojekte in Armenien für eine weitere Stabilisierung der Situation sowie der Verbesserung der Lebensbedingungen und Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung entsprechend fortgeführt werden, und dabei der vulnerablen Situation von Frauen und Kindern hohe Aufmerksamkeit zukommt.
• sich in Abstimmung mit den internationalen Partnern und vor allem im Einklang mit der EU und ihren Mitgliedstaaten wie bisher mit Nachdruck für eine dauerhafte Friedenslösung zwischen Aserbaidschan und Armenien einzusetzen, und sich weiterhin an der zivilen EU-Mission in Armenien personell zu beteiligen.
• sich weiterhin für den notwendigen und völkerrechtlich verpflichtend vorgesehenen Schutz von Kulturgütern und Religionsstätten in Bergkarabach einzusetzen, damit das kulturelle Erbe der Region für die künftigen Generationen bewahrt wird.”
Beitragsbild: Amaras 18.JPG | Wikipedia | Soghomon Matevosyan | CC BY-SA 4.0 DEED