Menschenrechtliche Situation in Venezuela – Antrag
10. Juli 2020
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Bei der letzten Nationalratssitzung wurde unser Antrag zur menschenrechtlichen Situation in Venezuela einstimmig angenommen. Eine wichtige Initiative!

529/A(E) XXVII. GP
Entschließungsantrag

der Abgeordneten Reinhold Lopatka, Gudrun Kugler, Ewa Ernst-Dziedzic, Michel Reimon Kolleginnen und Kollegen

betreffend die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in Venezuela

Venezuela befindet sich in einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Krise. Seit seiner Amtsübernahme 2013 hat Präsident Maduro die venezolanische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zunehmend ausgehöhlt, was 2017 in der Entmachtung der von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung durch die neu geschaffene verfassungsgebende Versammlung gipfelte.

Am 20. Mai 2018 fanden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt, aus denen Nicolas Maduro als Sieger hervorging. Die Europäische Union und weite Teile der internationalen Gemeinschaft erkannten diese Wahlen nicht als fair und frei an, da internationale Mindeststandards für einen glaubhaften Prozess nicht erfüllt und politischer Pluralismus, Demokratie, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit nicht respektiert wurden.

Am 23. Jänner 2019 wurde der rechtmäßig und demokratisch gewählte Parlamentspräsident Juan Guaidó unter Berufung auf die venezolanische Verfassung zum Interimspräsidenten Venezuelas erklärt. Die Mehrheit lateinamerikanischer Staaten, die USA und Kanada haben Juan Guaidó als Präsidenten anerkannt. Österreich und die Europäische Union unterstützen die Nationalversammlung als demokratisch legitimierte Institution und deren Vorsitzenden Juan Guaidó. Ziel der Unterstützungsbemühungen ist eine nachhaltige, friedliche und demokratische Lösung, die dem Land politische Stabilität bringt und den dringenden
Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden kann. An Massenprotesten gegen Präsident Maduro beteiligten sich laut Schätzungen mehr als 100 000 Menschen. Es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Berichten zufolge kam es dabei auch zu Festnahmen von mehreren hundert Demonstranten.

Die letzten Parlamentswahlen im Dezember 2015 boten ein ähnliches Bild. Denn nach einem Sieg der Opposition verließen die Abgeordneten der Regierungsfraktion von Präsident Maduro die konstituierende Sitzung des Parlaments im Jänner 2016. Die Regierung kündigte zudem an, Beschlüsse des Parlaments nicht mehr umzusetzen und darüber hinaus eigene Beschlüsse auf den Weg zu bringen, die das Parlament weiter schwächten. Im weiteren Verlauf wurde, in Zusammenarbeit mit dem Obersten Gerichtshof von Venezuela, die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Die Aufhebung der Gewaltenteilung war somit durch diese Ereignisse Realität geworden. Parallel zu dem, bereits über Jahre hin andauernden, politischen Chaos, leidet die Bevölkerung unter den verheerenden Auswirkungen der politischen, humanitären, sozialen und wirtschaftlichen Krise. Berichte der Vereinten Nationen dokumentieren zahlreiche systematische Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bevölkerung. Gemäß Angaben des Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) sind aktuell über 7 Millionen Menschen im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter 3,2 Millionen Kinder.

Die öffentliche Infrastruktur ist zusammengebrochen, Strom und Wasser werden rationiert, lebensnotwendige Güter wie Nahrungsmittel und Medikamente sind knapp geworden. Laut OCHA sind 3,7 Millionen Menschen von Nahrungsmittelknappheit betroffen. 4,3 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und entsprechender Abwasserversorgung. Das Gesundheits- und Bildungssystem ist nicht mehr funktionsfähig, Krankheiten wie Malaria und SARS-CoV-2 Virus sind auf dem Vormarsch.

Die Inflation ist explodiert, was eine Flucht in die Fremdwährung US-Dollar zur Folge hatte. Der Schwarzmarkt floriert und gleichzeitig existiert Medienberichten zufolge eine Art Parallelwelt für Luxusgüter. Zudem steigt die Kleinkriminalität, aber vor allem auch die Drogen- und Waffenkriminalität.

Zusätzlich zur humanitären Krise unterdrückt die Regierung unter Präsident Maduro jegliche Form der kritischen Meinungsäußerung. Laut Berichten der Vereinten Nationen sind die venezolanischen Sicherheitskräfte für außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen sowie exzessive Gewaltanwendung verantwortlich.

Diese zunehmend untragbaren Lebensbedingungen für den Großteil der Bevölkerung haben eine der größten Fluchtbewegungen in Lateinamerika hervorgerufen. Laut UNHCR haben bereits über 4 Millionen Venezolaner ihre Heimat verlassen, um der dramatischen Notlage und der zunehmenden politischen Repression zu entkommen. Laut UNHCR könnte die Anzahl der venezolanischen Flüchtlinge bis Ende 2020 auf 6,5 Millionen Menschen steigen.

Von diesen Flüchtlingsbewegungen sind vor allem Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Panama und Peru sowie die Südkaribik betroffen. Ohne internationale Hilfe zur Verbesserung der Lage für die Menschen in Venezuela scheint die Situation aussichtlos. Eine friedliche, nachhaltige und demokratische Lösung benötigt faire und freie Wahlen und eine Stärkung des Parlaments sowie eine unabdingbare Einhaltung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen: „Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, weiterhin alles in seiner Macht Stehende zu tun, um im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zu einer friedlichen, demokratischen, alle Seiten einbeziehenden Lösung in Venezuela beizutragen. Dies schließt insbesondere die Forderung nach der Abhaltung von freien, transparenten und glaubwürdigen Wahlen nach internationalen demokratischen anerkannten Standards und gemäß der venezolanischen Verfassung ein. Allfällige Bemühungen auf EU-Ebene hinsichtlich einer Entsendung einer EU-Wahlbeobachtungsmission werden unterstützt, so die Grundvoraussetzungen für die Durchführung einer solchen Mission gegeben sind.

Zudem wird der zuständige Bundesminister ersucht, sich weiterhin in internationalen Gremien, insbesondere in den Gremien der Vereinten Nationen, für die Rückkehr Venezuelas zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und hierbei insbesondere für die Wahrung der Menschenrechte einzutreten und die Ergreifung adäquater Maßnahmen, auf diesem Weg zu unterstützen und vor allem auch weiterhin alle demokratischen Kräfte in Venezuela zu stärken und somit einen demokratischen Übergang für das Land voranzutreiben. Diese Maßnahmen dürfen der venezolanischen Bevölkerung, die bereits schwer unter der Krise leidet, in keiner Weise schaden.

Ferner wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, in Abstimmung mit den zuständigen Gremien der EU und den europäischen Partnern, zu einer Verbesserung der humanitären Lage in Venezuela und der venezolanischen Flüchtlinge in der Region beizutragen. Diesbezüglich soll der zuständige Bundesminister bilateral, im Rahmen der EU und internationalen Organisationen Aktivitäten einfordern und unterstützen, welche dazu dienen, die Achtung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Land wiederherzustellen.”

Link zum Antrag

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