Schutz ethnischer, kultureller und religiöser Minderheiten vor Verfolgung
16. Dezember 2022
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Im Plenum vom 15.12.2022 wurde der Schutz ethnischer, kultureller und religiöser Minderheiten vor Verfolgung diskutiert. Am 10. Dezember jährte sich die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, aber immer noch werden in vielen Teilen der Welt die Rechte von ethnischen, kulturellen und religiösen Minderheiten, insbesondere von Christen, massiv verletzt. Österreichs Beitrag zum Schutz dieser Minderheiten macht einen Unterschied, daher wurde mit dieser mehrheitlich gefassten Entschließung die Regierung aufgefordert sich weiterhin auf EU-, bilateraler und multilateraler Ebene weiterhin gegen die Verfolgung ethnischer, kultureller und religiöser Minderheiten einzusetzen.

Ein zusätzlicher Entschließungsantrag wurde einstimmig angenommen: Darin wird die Regierung aufgefordert, sich auf nationaler und internationaler Ebene gegen die Verfolgung von Christen einzusetzen. 

Meine Rede dazu finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=GKrez7rLAK0

Antragstext zum Schutz ethnischer, kultureller und religiöser Minderheiten vor Verfolgung im Wortlaut:

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic,
Kolleginnen und Kollegen

betreffend den Schutz ethnischer, kultureller und religiöser Minderheiten vor Verfolgung

“Das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es wird als Kernstück der Internationalen Menschenrechtscharta bezeichnet. Dass es sich um ein besonders schützenswertes Menschenrecht handelt, beweist
auch sein prominenter Stellenwert im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt).

Das sogenannte Forum Internum des Rechts auf Religionsfreiheit, das die innere Überzeugung und Gewissensbildung umfasst, muss laut Artikel 18(2) des UN-Zivilpakts von jedem Zwang geschützt werden und ist keinerlei Einschränkungen unterworfen: „Niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde.“

In der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit in Artikel 9 verankert:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses
Recht umfaßt die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der
Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder
in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht,
Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.

(2) Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz
vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft
notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen
Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer
sind.

Trotz des umfassenden Schutzes in den internationalen Menschenrechtsinstrumenten, ist das Recht auf Religionsfreiheit ein häufig verletztes Menschenrecht. Aus diesem Grund zählt der Schutz der Religionsfreiheit und religiöser Minderheiten bereits seit vielen Jahren zu den Schwerpunkten der österreichischen Außenpolitik. Bereits 2012 wurden etwa auf EU-Ebene auf österreichisches Betreiben Leitlinien zur systematischen Integration des Themas Religionsfreiheit in die Menschenrechtspolitik der EU beschlossen. 2020 verabschiedete der Nationalrat in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Gudrun Kugler, Reinhold Lopatka und Ewa Ernst Dziedzic für die rasche Wiederbesetzung der Funktion des Sonderbeauftragten der Europäischen Kommission für Religionsfreiheit 721/A(E); ein Anliegen, für das sich auch die österreichische Bundesregierung einsetzte. Nach einer zwischenzeitlichen Wiederbesetzung durch die Europäische Kommission ist dieses Amt derzeit vakant.

Im Menschenrechtsrat sowie in der Generalversammlung der Vereinten Nationen beteiligt sich Österreich außerdem regelmäßig an Resolutionen zum Schutz von religiösen Minderheiten, wie beispielsweise zur Schaffung bzw. Verlängerung des Mandats des Sonderberichterstatters des VN-Menschenrechtsrats für Minderheiten, welches auf eine österreichische Initiative zurückgeht. Außerdem ist Österreich Teil der International Contact Group FORB sowie der International Religious Freedom or Belief Alliance.

Aktuell verorten einige zivilgesellschaftliche Organisationen und MenschenrechtsexpertInnen einen alarmierenden Anstieg in der weltweiten Einschränkung der Religionsfreiheit und der Verfolgung religiöser Minderheiten. Mitunter spielen dabei die gewaltsame Unterdrückung religiöser Minderheiten im Namen einer vorherrschenden Religion sowie die Verfolgung durch extremistische Gruppierungen eine Rolle.

Besonders besorgniserregende Entwicklungen der vergangenen Jahre sind beispielsweise die Verfolgung und Diskriminierung von ChristInnen und MuslimInnen weltweit, wie etwa im Nahen Osten, Nordafrika, Süd-, Südost- und Zentralasien, die systematische Verfolgung muslimischer UigurInnen, der Baha’i im Iran, die anhaltende Verfolgung der JesidInnen im Irak und Syrien, die Häufigkeit der Übergriffe auf Christen in Nigeria, die Inhaftierungen von Mitgliedern der Zeugen Jehovas in Russland sowie die Zunahme der Verfolgung Angehöriger anderer Glaubensrichtungen wie Ahmadis, Buddhisten, Hindus sowie weiterer muslimischer Minderheiten.

Am 31.8.2022 wurde der lange erwartete Bericht der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, zur Bewertung der Menschenrechtslage der Uiguren vorgestellt. Darin ist die Rede von „willkürlichen Inhaftierungen in großem Umfang“. Er enthält Beschreibungen von Menschen, die in sogenannten Berufsbildungseinrichtungen festgehalten wurden und Muster von Folter oder anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung aufzeigten. Insgesamt sprechen die unzähligen Belege dafür, dass die gesammelten Vorwürfe internationale Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Die dringenden Empfehlungen des Berichts umfassen auch die Aufforderung, die unrechtmäßig Inhaftierten freizulassen und zu entschädigen.

Darüber hinaus weisen Medienberichte der vergangenen Wochen darauf hin, dass durch militärisches Vorgehen der irakischen Armee bereits 1000 Familien der ethnisch-religiösen Minderheit der Jesiden aus Şengal in die Autonome Region Kurdistan vertrieben wurden. Gegenwärtig (24.5.2022) besteht eine Waffenruhe, doch die Gefahr eines Wiederaufflammens der Kämpfe ist groß. Die Angriffe richten sich formal gegen die „Sinjar Resistance Unit“ (YBS). Doch die traumatisierte Zivilbevölkerung ist stark gefährdet und muss geschützt werden, wie auch Nadia Murad, die Friedensnobelpreisträgerin und jesidische UN Botschafterin aus dem Şengal und die UN-Hilfsmission für den Irak (UNAMI) gegenüber der
internationalen Gemeinschaft fordern. Die Vereinten Nationen fanden „eindeutige und überzeugende Beweise“ wonach die Verbrechen von ISIL gegen die jesidische Minderheit im
Irak als Völkermord zu qualifizieren sind. Auch das Europäische Parlament hat den Völkermord an den JesidInnen in einer Entschließung aus Februar 2016 verurteilt. Zu einer Verurteilung als Völkermord durch den VN-Sicherheitsrat der vom sog. Islamischen Staat gegen ChristInnen, JesidInnen und viele andere religiöse und ethnische Minderheiten begangenen Verbrechen, wie vom Nationalrat 2017 in einer Entschließung gefordert, ist es bisher noch nicht gekommen. Laut den Vereinten Nationen wurden rund 5000 JesidInnen ermordet und 7000 Frauen und Kinder entführt. Tausende sind bis heute verschwunden.

Angriffe durch Dschihadisten und kriminelle Banden kommen auch in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, in den letzten Jahren vermehrt vor. Der Süden Nigerias ist hauptsächlich christlich geprägt, während im Norden vorwiegend Muslime leben. Vielfach haben interreligiöse Konflikte in Nigeria zwar vielschichtige, lokale Ursachen – so etwa den Kampf um knappe Ressourcen, häufig spielt die religiöse Komponente jedoch eine entscheidende Rolle, worunter vor allem die christliche Bevölkerung leidet. Die Armee kämpft bereits seit Jahren gegen einen dschihadistischen Aufstand im Nordosten des Landes. Regelmäßig kommt es zu Anschlägen auf Christen, sowie zu Entführungen von Geistlichen. Allein im Juli diesen Jahres wurden sieben katholische Priester in Nigeria entführt und viele weitere religiöse Leiter anderer christlicher Denominationen entführt und ermordet. Anfang Juni, im Rahmen eines Anschlags auf eine katholische Kirche in der Stadt Owo im Südwesten Nigerias wurden dutzende Gläubige – darunter auch Kinder – brutal getötet, während sie den Pfingstgottesdienst besuchten. Der Angriff erfolgte durch mehrere mit Waffen und Sprengstoff bewaffnete Personen. Der Anschlag wurde international verurteilt, etwa vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres. Auch Nigerias Staatschef Muhammadu Buhari verurteilte die “abscheuliche Ermordung von Gläubigen“.

Von Seiten des Staates wird die katholische Kirche in Nicaragua verstärkt unterdrückt. Zunächst wurden Radiostationen christlicher Sender gewaltsam geschlossen, deren willkürliche Schließung in einer Meldung des Europäischen Auswärtigen Dienstes kritisiert wurde. Anfang August wurde der Bischof der Diözese Matagalpa davon abgehalten eine Messe abzuhalten und unter Hausarrest gestellt. Zwei Wochen später wurde er, zusammen mit vier Priestern, zwei Seminaristen und einem Laien, von der Polizei entführt. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich besorgt über die Entwicklung und forderte die Regierung auf, alle willkürlich Festgenommenen freizulassen.

Im Lichte dieser Entwicklungen und in Anbetracht der Tatsache, dass die Verfolgung jeder religiösen Minderheit eine Menschenrechtsverletzung darstellt, ist der Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft sowie jedes einzelnen Mitgliedsstaats gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten von besonderer Dringlichkeit. Dabei ist insbesondere die Unterstützung bei der Rückkehr verfolgter religiöser Minderheiten, sowie das fortwährende Aufgreifen der Problematik der Verfolgung religiöser Minderheiten in der österreichischen Außenpolitik und in der Kommunikation mit den diplomatischen Vertretungen von großer Bedeutung.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich weiterhin sowohl auf EU-, als auch auf bi- und multilateraler Ebene gegen die Verfolgung aller ethnischen, kulturellen und religiösen Minderheiten einzusetzen sowie Instandhaltung und Wiederaufbau vor Ort zu unterstützen, um den Minderheitsangehörigen das Verbleiben in den Regionen bzw. eine allfällige Rückkehr zu ermöglichen. Außerdem wird die Bundesregierung ersucht, sich auf europäischer Ebene für die Wiederbesetzung der Funktion des Sonderbeauftragten der Europäischen Kommission für Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der Europäischen Union einzusetzen.“

Link zum Antrag: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_02824/index.shtml

Hier finden Sie den im Zuge dieser Debatte eingebrachten und einstimmig angenommen Antrag zum Thema Christenverfolgung: Auftreten gegen Christenverfolgung

Außerdem haben wir am 15.12. den Holodomor als schreckliches Verbrechen anerkannt. Dazu hier eine OTS-Meldung: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221215_OTS0221/nationalrat-entschliessung-zum-holodomor-in-der-ukraine sowie meine Rede im Parlament: https://www.youtube.com/watch?v=kYmUitDR51I

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