Bei einer Veranstaltung einiger JVP-Bezirksgruppen zum Thema “Europa – wichtiger denn je?” diskutierte ich gemeinsam mit Europaparlaments-Abgeordneten Lukas Mandl über die Wertebasis und die Zukunft Europas. Nicht nur aufgrund der Zuwanderung und für das Gelingen von Integration, ist es unabdingbar, unsere gemeinsamen europäischen Werte hochzuhalten und immer wieder zu unterstreichen.
Die gegenwärtige Diskussion ermüdet oft mit hohlen Parolen und Orientierungslosigkeit. Inhaltslosigkeit macht Europa schwach und Migranten integrationsunwillig. Ohne eine vermittelte Wertebasis sind Verhaltensnormen kasuistisch und der Staat wird allmächtig.
Selbst die Pluralität, zu der wir uns bekennen, braucht eine gemeinsame Wertebasis. Jede Kultur ist auch eine Anerkennungsordnung, die sich im Rechtssystem artikuliert.
Die Grundpfeiler der gemeinsamen Wertebasis Europas, sozusagen die Eigenschaften Europas, habe ich in zwölf Punkten ausgearbeitet:
1. Würde des Menschen: Der Mensch ist einzigartig, mit freiem Willen und Vernunft begabt, fähig für soziales Miteinander, zur Kommunikation und Interaktion. Deshalb hat er unverletzliche Rechte. Deshalb kümmern wir uns um komatöse Patienten, Sterbende, Behinderte, Bedürftige… Solidarität, also auch wenn es mehr kostet, als es wirtschaftlich bringt. Deshalb gibt es bei uns keine Strafen gegen Leib und Leben.
2. Aufgrund der Menschenwürde gilt das sogenannte Instrumentalisierungsverbot: der Mensch ist immer Selbstzweck. Sein Wert wird nicht über seine Nützlichkeit z.B. am Arbeitsmarkt definiert, der Mensch darf nicht als Bauernopfer eingesetzt werden, als Schutzschild missbraucht. Sklaverei, sexueller Missbrauch, Organhandel instrumentalisieren den Menschen. In den Menschenrechten entfaltet sich sowohl das Instrumentalisierungsverbot, als auch der nächste Punkt:
3. Die Suche nach dem Schönen, Wahren und Guten: Die Freiheit der Wissenschaft und die Auseinandersetzung mit den großen Fragen der Menschheit auf der Suche nach dem Wahren; die Kunst als Suche nach dem Schönen, und die individueller Vervollkommnung mit einem Blick aufs Ganze, also nicht nur für einen selbst, als Suche nach dem Schönen. Das hat Europa in den letzten 1000 Jahren bestimmt.
4. Freiheit und Selbstbestimmung sind die Basis einer pluralen Gesellschaft. Wer aus der Freiheit kommt, gesteht auch dem anderen Freiheit zu. Wo der IS regiert, regiert er durch Angst. Freiheit ist die Voraussetzung für ein Miteinander von „in gleicher Weise Freien“, also von Gleichberechtigten, nicht z.B. von Sippen- oder Gruppenangehörigen oder Wohlhabenden. Rousseau meinte, man müsse zur Not den Bürger zur Freiheit zwingen!
5. Verpflichtung auf die Vernunft: Als Europäer stehen wir nicht blind vor einer Mauer. Weil wir analysieren, diskutieren, verstehen, können wir Verhältnisse beschreiben und Beziehung treten. Das griechische Wort Logos heißt neben Vernunft, Sprache, Kommunikation, auch „Verhältnis“.
6. Wir bekennen uns zur Demokratie, die eine demokratische Kultur benötigt: Zurückhaltung und Selbstbeschränkung im politischen Prozess, d.h. die Sieger üben ihre Macht nicht ungezügelt und rücksichtslos aus, die Unterlegenen respektieren die staatliche Autorität.
7. Anerkennung des Rechtssystems auf Basis der Rechtsstaatlichkeit sowie des Gewalt- und Justizmonopols des Staates (keine Gewaltanwendung, keine Selbstjustiz, keine privaten Fehden)
8. Gemeinsame Verantwortung zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft: Neben Rechten anerkennen wir auch Pflichten. Wir bekennen uns zu Leistung, zur Weiterbildung, zur Selbstverwirklichung durch Arbeit und zum Fair Use zB in der Inanspruchnahme von Sozialleistungen.
9. Gleichberechtigung in der Familie: keine Gewalt in der Familie, Gleichberechtigung der Geschlechter, Einehe, Treue, klares Nein zu Kinderheirat, Zwangsverheiratung, Verwandtenehen oder Genitalverstümmelung.
10. Toleranz…. und noch ein Schritt weiter: Auseinandersetzung mit Neuem, Achtung gegenüber Andersdenkenden, ja sogar die Sorge umeinander.
11. Religionsfreiheit: Wir bekennen uns zur Trennung von Kirche und Staat. Wir lehnen Gesinnungsterror ab. Gleichzeitig schätzen wir den Beitrag, den Religionen leisten, und lassen ihre Rolle und Gesellschaft und Staat zu.
12. Treuhänderischer Umgang mit der Umwelt, von der Mülltrennung bis zum sparsamen Einsatz der Ressourcen und zum achtsamen Verhalten in der Öffentlichkeit.
Das jüdisch-christliche Erbe sowie die Aufklärung und der Prozess der Anerkennung der Menschenrechte zieht sich in Europa wie ein roter Faden durch die gemeinsame Wertebasis.