8 Punkte für die Wiener Gesundheitspolitik
29. September 2016
0

Es braucht dringend einen Professionalisierungsschub in der Wiener Gesundheitspolitik. Daher ist folgendes Programm zur Rettung des Gesundheitssystems in Wien umgehend zu realisieren:

1. Stärkung des Wahlarztsystems und volle Refundierung des Kassentarifs

Die Zahl der Wahlärzte in Wien ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen (von 3.000 im Jahr 2010 auf 3.400 im Jahr 2016). Der Idee der SPÖ nach Abschaffung der Wahlärzte und damit einer Nivellierung des Gesundheitsangebotes nach unten ist deshalb entschieden abzulehnen.

Ohne die Wahlfreiheit, neben Kassenärzten auch Wahlärzte zu konsultieren, müssten Patienten in Wien noch längere Wartezeiten in Kauf nehmen und die Gesundheitsversorgung in Wien würde die Grenze ihrer Belastbarkeit eindeutig überschreiten.

Die Wahlfreiheit muss erhalten und ausgebaut werden! Es ist nicht nachvollziehbar, warum derzeit bei der Konsultation von Wahlärzten lediglich 80 Prozent und nicht der volle Betrag des entsprechenden Kassentarifs refundiert wird.

2. Aufstockung der Kassenärzte und Ausweitung des Angebots für Wien

Zur Entlastung der Ambulanzen braucht es dringend eine Aufstockung der Kassenärzte und damit einhergehend auch eine Ausweitung des Angebots am Nachmittag und Wochenende.

Wien benötigt 300 zusätzliche Kassenstellen (insbesondere in den Bereichen Allgemeinmedizin und Kindermedizin) sowie die Überarbeitung des Honorarsystems für Kassenärzte, denn schließlich muss die Kommunikationsleistung zwischen Arzt und Patient – gerade was Präventionsmaßnahmen betrifft – besser honoriert werden.

3. Professionelle Umsetzung Arbeitszeit-Richtlinie für Ärzte

Bei der Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie für Ärzte darf es in Wien keine weiteren Verzögerungen mehr geben. Es sind daher alle betroffenen Berufsgruppen (ärztliches Personal, Pflegekräfte) in die geplanten Schritte zur Implementierung der notwendigen Maßnahmen einzubinden und über die Auswirkungen umfassend und zeitnah zu informieren.

4. Rasche Etablierung von Zentralen Notaufnahmen in KAV-Spitälern

Zur Entlastung der überfüllten Ambulanzen in den Spitälern sieht das Spitalskonzept 2030 die Etablierung zentraler Notaufnahmen in allen KAV-Spitälern vor. Dort werden Patienten erstbegutachtet und erstversorgt und bei Bedarf an andere Spezialabteilungen weitergeleitet.

Derzeit haben nur das SMZ Floridsdorf (15 Betten), das KH Hietzing (15 Betten) und das Wilhelminenspital (8 Betten) Zentrale Notaufnahmen eingerichtet, in der Rudolfstiftung wird diese Abteilung gerade etabliert (24 Betten).

In den Krankenhäusern Kaiser-Franz-Josef-Spital (20 Betten) und Donauspital (20 Betten) müssen zuvor die notwendigen Umbaumaßnahmen durchgeführt werden. Das Krankenhaus Nord befindet sich bekanntlich aufgrund der jahrelangen Bauverzögerung noch immer nicht in Betrieb, folglich fehlen auch hier die geplanten Kapazitäten (22 Betten) der zentralen Notaufnahme zur Gänze.

Die Umsetzung dieses wichtigen Reformschrittes muss deutlich rascher erfolgen, denn derzeit sind erst knapp mehr als ein Drittel (ca. 35%) der geplanten Kapazitäten der zentralen Notaufnahmen umgesetzt.

5. Verkürzung der Wartezeiten auf planbare Operationen inkl. Ausbau der Schmerztherapie

Die durchschnittliche Wartezeit auf eine Hüft-OP (Stand Juli 2016) beträgt zwischen 4 Monaten (Orthop. KH Gersthof) und 10 Monaten (Otto-Wagner-Spital), die durchschnittliche Wartezeit auf eine Kniegelenk-OP (Stand Juli 2016): zwischen 4 Monaten (Orthop. KH Gersthof) und 12 Monaten (Otto-Wagner-Spital). In Einzelfällen sind auch Wartezeiten von 12 Monaten und länger bereits Realität!

Das Angebot an Schmerztherapie wurde in den vergangenen Jahren sowohl in den Spitälern als auch im niedergelassenen Bereich nicht erweitert. Patienten müssen oft monatelang auf einen Termin zur Schmerztherapie warten, die meisten Schmerzambulanzen haben zudem oft nur vormittags an einzelnen Wochentagen geöffnet, was für Berufstätige ein zusätzliches Hindernis darstellt.

Die OP-Kapazitäten gehören dringend erhöht. Es kann nicht sein, dass die OP-Säle dieser Stadt nicht optimal ausgelastet sind und sich Wienerinnen und Wiener monatelang mit Schmerzen durch die Stadt quälen müssen, deshalb braucht es auch einen Ausbau des Angebotes an Schmerztherapie – insbesondere an den Nachmittagen und Wochenenden.

6. Ausbau der Primärversorgungszentren in Wien

Im Zuge der Gesundheitsreform des Bundes wurde beschlossen, 2-3 Primärversorgungszentren in jedem Bundesland zu realisieren, in denen Ärzte und andere Gesundheits- und Sozialberufe (z.B. Physiotherapeuten, Sozialarbeiter etc.) zusammenarbeiten.

In Wien gibt es derzeit erst ein einziges im 6. Bezirk in Betrieb, für ein weiteres in der Nähe des SMZ Ost (22. Bez.) wurde erst nach mehreren vergeblichen Ausschreibungen ein Ärzteteam gefunden. Es braucht hier dringend mehr Anstrengungen der Stadtregierung zur rascheren Realisierung weiterer Standorte.

7. Endlich Durchstarten beim Krankenhaus Nord

Das Krankenhaus Nord wird immer mehr zum Sinnbild für die Gesundheitspolitik in dieser Stadt: Eklatantes Missmanagement begleitet von immensen Kostenüberschreitungen haben aus einem 605-Millionen-Euro-Projekt ein Milliardengrab gemacht. Jetzt stehen bereits 1,5 Mrd im Raum, eine Eröffnung ist aber nicht in Sicht.

Ursprünglich war die Inbetriebnahme für 2014 geplant, jetzt gibt es gar keinen Plan mehr. Die Kosten laufen völlig aus dem Ruder, der Steuerzahler erfährt stets erst zum Schluss, wie viel die Kostenüberschreitung dieses Mal ausmacht. Mit dieser Methode des Tarnens und Täuschens muss Schluss sein.

Es muss eine schonungslose Offenlegung des Baufortschrittes, der Terminpläne inklusive Angaben über eingetretene Kostenüberschreitungen geben. Sollten die bisherigen Maßnahmen nicht greifen, so ist von der Stadt Wien als letztes Mittel ein Baustopp und Neustart des Projekts vorzunehmen.

8. Ausbau der Präventionsarbeit – Mehr Gesundheit durch mehr Bewegung

Um Folgekosten für das Gesundheitssystem zu bremsen (vor allem im Bereich der Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck) müssen die Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung bereits ab dem Kindes- und Jugendalter verbessert und verstärkte körperliche Aktivität durch gezielte Anreize nahegelegt werden.

Allerdings ist das derzeitige Angebot an Sportanlagen inkl. Bäderanlagen weitestgehend unzureichend. Auch die Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen und Sportvereinen ist „ausbaufähig“. Wien braucht dringend ein umfassenden Gesundheitspräventions-Konzept sowie ein Anreizsystem im Rahmen der Gesundheitsvorsorge, damit die Wienerinnen und Wienern gezielt dazu animiert werden, durch aktive Maßnahmen den Erhalt ihrer Gesundheit zu forcieren.

Die gefertigten Gemeinderätinnen und Gemeinderäte stellen daher § 27 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Gemeinderates der Stadt Wien folgenden

Beschlussantrag:

Der Wiener Gemeinderat spricht sich dafür aus, umgehend folgendes Programm zur Rettung des Gesundheitssystems in Wien zu realisieren:

1. Stärkung des Wahlarztsystems und volle Refundierung des Kassentarifs
2. Aufstockung der Kassenärzte und Ausweitung des Angebots für Wien
3. Professionelle Umsetzung Arbeitszeit-Richtlinie für Ärzte
4. Rasche Etablierung von Zentralen Notaufnahmen in KAV-Spitälern
5. Verkürzung der Wartezeiten auf planbare Operationen inkl. Ausbau der Schmerztherapie
6. Ausbau der Primärversorgungszentren in Wien
7. Endlich Durchstarten beim Krankenhaus Nord
8. Ausbau der Präventionsarbeit – Mehr Gesundheit durch mehr Bewegung

In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung des Antrages verlangt. (Wien, 29.09.2016)

Siehe auch: https://mit.gernot-bluemel.at/gesundheitssystem-reanimieren/

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.